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Psychoanalytisches Business Coaching

Burnout-Prävention: Entschleunigung durch Zugehörigkeit

Arbeitsbedingte Belastungs- und Erschöpfungserscheinungen nehmen zu: Von 2014 bis 2018 stieg die Anzahl von Arbeitsunfähigkeitsfällen aufgrund von Burnout um über 10% (Statista, 2019). Viele Beschäftigte wünschen sich eine Entschleunigung der Arbeitswelt. Aber was hat zu der Zunahme der Belastung geführt?

Arbeitszeit und Arbeitsintensität als Arbeitsanforderungen

Laut statistischem Bundesamt (o.D.) haben Vollzeiterwerbstätige im Jahr 2018 durchschnittlich 41 Stunden die Woche gearbeitet. 1991 waren es 41,4 Stunden. Die reine Arbeitszeit hat sich also nicht erhöht.
Auch die Arbeitsintensität scheint nicht zugenommen zu haben, wie die Ergebnisse der Erwerbstätigenbefragungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2018) aus den Jahren 2006, 2012 und 2018 gezeigt haben. Darin wurde die Arbeitsintensität durch fünf Bedingungen, wie „Termin- oder Leistungsdruck“ oder „schnelles Arbeiten“, erfasst. Mit Ausnahme einer Bedingung („gleichzeitiges Betreuen verschiedener Aufgaben“) hat die wahrgenommene Arbeitsintensität sogar abgenommen.
Gleichzeitig hat der Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die sich durch eine hohe Arbeitsintensität belastet fühlen, zugenommen. So haben im Jahr 2006 43% der Beschäftigten angegeben, sich durch sehr schnelles Arbeiten belastet zu fühlen. Im Jahr 2018 stieg dieser Anteil auf 51%. Aber woher kommt das zunehmende Belastungsgefühl?

Arbeitsressourcen als Schutzfaktoren gegen Burnout

In der arbeitspsychologischen Forschung werden neben den Arbeitsanforderungen auch Arbeitsressourcen untersucht. Unter Arbeitsressourcen werden Aspekte der Arbeit verstanden, die zur Motivation sowie Lernbereitschaft und damit zum persönlichen Wachstum von Personen beitragen können (Demerouti, Bakker, Nachreiner, & Schaufeli, 2001). Zusätzlich haben Arbeitsressourcen eine Pufferwirkung: auch negative Gesundheitsauswirkungen von Arbeitsanforderungen können abgemildert werden (Bakker & Demerouti, 2007).
Eine der am häufigsten bestätigten Arbeitsressourcen ist die soziale Unterstützung (z.B. Gorgievski, Halbesleben & Bakker, 2011). Viele Studien haben gezeigt, dass Menschen, die sich von ihren KollegInnen und Vorgesetzten unterstützt fühlen und die Zusammenarbeit sowie Arbeitsatmosphäre grundsätzlich positiv bewerten, geringere Burnout-Ausprägungen aufweisen (z.B. Schaufeli & Bakker, 2004). Um sich sozial unterstützt zu fühlen braucht es ein Gefühl der Zugehörigkeit – zu einer Organisation, einem Team und einem Vorgesetzen.

Zugehörigkeit in einer agilen Arbeitswelt

In Zeiten, in denen es immer mehr Menschen gibt, die alleine leben, getrennt, geschieden oder berufsbedingt in eine neue Stadt gezogen sind, ist der Arbeitsplatz vielleicht einmal mehr der Ort, wo Menschen miteinander in Kontakt treten, verbindliche Beziehungen aufbauen und sich zugehörig fühlen. Durch Faktoren wie die Globalisierung und Digitalisierung hat sich die Arbeitswelt und deren Anforderungen verändert. Soziale Interaktionen bei der Arbeit finden zunehmend virtuell und über Ländergrenzen hinweg statt. MitarbeiterInnen in „agilen“ Organisationen sollen in regelmäßig wechselnden, interdisziplinären und cross-funktionalen Teams, flexibel und sich den verändernden Anforderungen stetig anpassend arbeiten (Gloger & Margetich, 2018).
Es stellt sich die Frage, ob bei diesem Grad an Agilität, den die Arbeitswelt erfordert, noch Gefühle der Zugehörigkeit entstehen können. Aber was bedeutet Zugehörigkeit?

Zugehörigkeit in der digitalen Welt – einfach ist es nicht…

Die Psychoanalyse der Zugehörigkeit

Nach Freud tauchen eigene Erwartungen, Wünsche und Emotionen, die im Zusammenhang mit früheren Beziehungserfahrungen stehen, in allen menschlichen Beziehungen auf (Freud, 1910). Diese sogenannte „Übertragung“ stellt sich auch am Arbeitsplatz, mit Vorgesetzen und KollegInnen, ein. In intersubjektiven Konzepten wird davon ausgegangen, dass sich individuelle Übertragungen in eine sogenannte „intersubjektive Matrix“ einbetten lassen. Der Psychoanalytiker Daniel Stern (2004) definiert diese als einen „Bereich der Gefühle, Gedanken und Kenntnisse, den zwei (oder mehr) Menschen hinsichtlich ihrer aktuellen Beziehung teilen“. Wenn sich also zwei oder mehr Individuen begegnen, kreieren sie eine intersubjektive Matrix, in der eigene Gefühle und Gedanken aufeinandertreffen und gemeinsame, beziehungsrelevante Aspekte verankert werden. Nach Stern wird durch die Bildung einer solchen intersubjektiven Matrix der Zusammenhalt innerhalb einer (von außen geformten) Gruppe gestärkt und das psychische Zugehörigkeitsgefühl reguliert. Aber welche Funktion erfüllt dieses Zugehörigkeitsgefühl für uns Menschen?
Als Säuglinge entwickeln wir durch die Interaktion mit primären Bezugspersonen ein Gefühl von Selbstkohärenz. Um dieses Gefühl aufrechtzuerhalten sind wir allerdings unser Leben lang auf interaktive Unterstützung angewiesen: Wir brauchen auch im Erwachsenenalter das Gegenüber und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe um uns selbst Gestalt zu geben und uns als kohärent zu erleben. Nach Stolorow und Atwood (1992) bedeutet dies, dass „unser Selbstwertgefühl, unser persönliches Identitätsgefühl“ von „spezifischen stützenden Beziehungen zur menschlichen Umwelt“ abhängt. Unsere KollegInnen, mit denen wir täglich im Kontakt sind, mit denen wir das Arbeitsumfeld und damit einhergehende Gefühle und Gedanken teilen, sind wichtig für unser Selbstwertgefühl sowie unsere Identität und schützen uns damit vor Belastungs- und Erschöpfungserscheinungen. Dies kann durch kleine Kontakte zwischen KollegInnen und auch Vorgesetzten geschehen, wie ein paar beruhigende Worte einer Kollegin nach einem negativen Feedback des Vorgesetzten oder eine Ermutigung der Vorgesetzte vor einem wichtigen Kundenmeeting. All diese kleinen Interaktionen mit Bezugspersonen am Arbeitsplatz stärken unser Selbstwertgefühl und vermitteln uns ein Gefühl von Zugehörigkeit und damit auch Identität.
Wenn sich MitarbeiterInnen nicht zugehörig und von ihrem Team gehalten fühlen, kann dies zu einem Entfremdungsgefühl führen: Betroffene fühlen sich von der eigenen Person sowie von ihrem sozialen Umfeld am Arbeitsplatz entfremdet. Häufig führt dieses Gefühl zu Belastungserscheinungen. Beim Burnout-Syndrom lässt sich die Entfremdung dem Kriterium der Depersonalisation zuordnen (Maslach, 1982).

Was können Sie als Führungskraft tun?

Die sich verändernden Arbeitsbedingungen erfordern auch ein Umdenken der Führungskräfte. MitarbeiterInnen müssen vor zunehmenden Belastungs- und Erschöpfungserscheinungen geschützt werden. Arbeitsressourcen, wie die soziale Unterstützung, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Häufige Wechsel von Team- und Rollenkonstellationen können dazu führen, dass das Gefühl von Zugehörigkeit – und damit einhergehend die Stress-abpufferende Wirkung der sozialen Unterstützung – verloren geht. Eine wichtige Maßnahme kann hier die Förderung des Kern-Teamzusammenhalts durch gemeinsame Events oder regelmäßige Austauschplattformen sein. Als Führungskraft ist es zudem von großer Bedeutung mit jeder und jedem einzelnen MitarbeiterIn im Kontakt zu bleiben sowie als AnsprechpartnerIn und FeedbackgebeIn zur Verfügung zu stehen.

Wenn Sie als Führungskraft im agilen Arbeitsumfeld Unterstützung suchen, wenden Sie sich gerne an uns. Wir coachen (aktuell) auch im Videokontakt und am Telefon.

Psychologin (B.Sc., M.Sc.) Leonie Derwahl

 

Quellen

Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The Job Demands-Resources model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22(3), 309–328.

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): „Zeitdruck und Co – Wird Arbeiten immer intensiver und belastender?“, unter: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fakten/BIBB-BAuA-26.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (abgerufen am 23.04.2020).

Demerouti, E., Bakker, A. B., Nachreiner, F., & Schaufeli, W. B. (2001). The job demands-resources model of burnout. Journal of Applied Psychology, 86(3), 499–512.

Freud, S. (1910). Über Psychoanalyse. Fünf Vorlesungen, gehalten zur 20jährigen Gründungsfeier der Clark University in Worcester, Mass., September 1909. GW VIII, 1-60.

Gloger, B. & Margetich, J. (2018). Das Scrum-Prinzip: Agile Organisationen aufbauen und gestalten (2. Auflage). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Gorgievski, M. J., Halbesleben, J. R. B., & Bakker, A. B. (2011). Expanding the boundaries of psychological resource theories. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 84(1), 1–7.

Maslach, C. (1982). Burnout: The cost of caring. Englewood Cliffs: Prentice Hall.

Schaufeli, W. B. & Bakker, A. B. (2004). Job demands, job resources, and their relationship with burnout and engagement: a multi-sample study. Journal of Organizational Behavior, 25, 293–315.

Statistisches Bundesamt (o.D.): „Wöchentliche Arbeitszeit“, unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/woechentliche-arbeitszeitl.html (abgerufen am 22.04.2020).

Statista (2019): „Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2018“, unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/ (abgerufen am 22.04.2020).

Stern, D. (2004). Der Gegenwartsmoment. Frankfurt/Main: Brandes und Apsel.

Stolorow, R. D., & Atwood, G. E. (1992). Psychoanalytic inquiry book series, Vol. 12. Contexts of being: The intersubjective foundations of psychological life. Analytic Press, Inc.