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Psychoanalytisches Business Coaching

Das Objekt der Begierde – Wie geht psychoanalytisch fokussiertes Business Coaching?

Die Sprache des Kunden lernt man bekanntlich im gemeinsamen Gespräch. Im Vordergrund steht dabei der Aspekt, sich eine Art von Wissen anzueignen, das sich nicht an den eigenen Bedürfnissen und Wünschen orientiert. Wie lässt sich der Zusammenhang von Sprache und Wissen im Handel, aber auch in der beratenden Tätigkeit praktisch nutzen?

Für eine psychoanalytisch fokussierte Beratungstätigkeit ergibt sich die Bedeutung der Sprache daraus, dass sich das Sprechen an einen Anderen richtet und dass es über das Gesagte hinaus immer ein Mehr mitteilt. Dieses Mehr an Bedeutung ist das Kennzeichen der zwischenmenschlichen Kommunikation und tatsächlich kaum kontrollierbar. Vor allem rationalisierte Arbeitsprozesse in Unternehmen und Verwaltung versuchen trotzdem, Sprache und Sprechen frei von bedeutungsverschiebenden Effekten zu gebrauchen. Jeder kennt indes die Situation, dass er nicht recht weiß, wie der Inhalt einer Email oder ein Kommentar bei einem Meeting aufzufassen ist. Der offene Deutungsspielraum sprachlicher Mitteilungen kann dann zu Missverständnissen, Phantasiebildungen und sogar Verfolgungsängsten führen.

Ungeachtet der technischen Durchdringung der Arbeitswelten im Kontext von „Industrie 4.0“ beanspruchen eben nicht Maschinen, sondern die Kommunikation zwischen Menschen die Schlüsselrolle für den Erfolg von Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen. Abseits dieser soziologischen Thematik fokussiert die psychoanalytische Sicht das Ichverständnis der Organisationsmitglieder, ihre individuelle Motivation und Identifikationsbereitschaft mit Kollegen und Vorgesetzten. Im wesentlichen geht es um die Beziehungen zwischen Menschen.

Ein wenig Input zum psychoanalytischen Hintergrund: Das Objekt in der Psychoanalyse ist nicht dasselbe Objekt des Physikers oder ein Alltagsgegenstand an sich, sondern immer das Objekt des Begehrens. Anders gesagt: Das Objekt in der Psychoanalyse zielt ab auf die Frage nach der Funktion, die es für den Trieb hat. Sofern ist auch der Nebenmensch für den Trieb ein Objekt, das er besetzt und an dem er sich auf seine Weise erlebt und Befriedigung verschafft. Aufgrund seiner klinischen Vorgeschichte geht der psychoanalytische Ansatz davon aus, dass das Objekt an den Signifikanten, also an die Sprache, gebunden ist. Damit ist gemeint, dass die Sprache das Objekt qualifiziert: Sie macht es hell oder dunkel, schön oder hässlich, stumpf oder scharf wie ein Messer. Sie lässt ein Objekt lustvoll oder unlustvoll erscheinen – eine wichtige Perspektive der psychoanalytischen Betrachtungsweise.

Zugleich ist die Beziehung zum Objekt imaginär, d.h. es ist Ziel oder Träger von Phantasien und Projektionen. Dementsprechend wird das Objekt in der Phantasie zugerichtet und verformt. Die (unbewusste) Phantasietätigkeit entscheidet, was zum Objekt gehören darf und was nicht. Schon Goethe reimte in einem Gedicht an Charlotte von Stein: „Uns zu lieben, ohn uns zu verstehen / in dem anderen zu sehen, was er nie war, / immer frisch auf Traumglück auszugehen“.

Das Thema des Sexuellen geht davon aus, dass das Subjekt qua Übertragung immer schon mit den Objekten verbunden ist. Eingedenk dieser Dynamiken wird zumal auch deutlich, wie wichtig eine zutreffende Unterscheidung von Innen und Außen für die Urteilsfindung ist.

Um die Sprache des anderen zu verstehen, begnügt sich die Psychoanalyse nicht mit Rationalisierungen. Sie fragt nach der Geschichte einer Objektbeziehung und hört hierzu auf das Subjekt des Sprechens. Sie räumt dem Widersinnigen und Nebensächlichen ein Erkenntnispotential ein und lässt auch den Unsinn zu Ehren kommen. Sie rechnet mit multiplen Ursachen und macht nicht bei einem einmal geformten Wissen halt. Nur so lässt sich ein Wissen konstruieren, das möglichst nah am Ort der Wahrheit des Interessensgegenstands liegt.

Diese Art der Arbeit am Wissen befreit die Beziehung zum Objekt und zum anderen, indem sich das Subjekt von vorgefassten Illusionen löst. Vorgefasstes Wissen, Vorurteile und Stereotypen können hinterfragt und aufgegeben werden. Das lange Zeit geglaubte Wissen erweist sich nun als roh und unverdaut. Psychoanalytisches Arbeiten, insbesondere das sog. Durcharbeiten, kann sofern mit der auflösenden Wirkung von Enzymen im Verdauungsvorgang verglichen werden: Das seelisch-gedanklich Unverdaute wird nachträglich verdaut und verträglicher gemacht.

Der Andere ist natürlich nicht nur Objekt der Triebe eines Subjekts, er ist auch selbst Subjekt. Die Beziehung zwischen Subjekten – seien es nun Verwandte, Bekannte oder Kollegen in einer Organisation – lässt sich umgangssprachlich mit Vokabeln wie Sympathie oder Antipathie, Achtung oder Verachtung, Liebe oder Hass bezeichnen. Damit wird die äußere, soziale Beziehung unter Menschen beschrieben. Die psychoanalytische Sicht interessiert sich derweil für die Rolle der Triebe bei der Ausgestaltung der Objektwahl. Triebe besetzen ein Objekt, ein Subjekt kennen sie jedoch nicht. Sie kennen auch kein Achtungsverhältnis, sie sind nicht moralisch.

An diesem Punkt wird ersichtlich, warum zwischenmenschliche Beziehungen selbst in kulturell entwickelten Beziehungskonstellationen wie Familien oder Unternehmen so häufig zu Konflikten führen. Triebe treiben ihr Unwesen jenseits der Vernunft; sie fordern eine Art der Befriedigung ein, die mit den kulturellen Regeln in Konflikt geraten können. Ferner fordern Partialtriebe ein unmögliches Genießen ein, insoweit es sich von den erlaubten Formen des Genießens in einer Gesellschaft ausgrenzt. Weil dies jedoch so regelmäßig geschieht, geht die Psychoanalyse davon aus, dass etwa Perversionen Teil des normalen Lebens sind.

Eine Perversion kann ein Subjekt beispielsweise dazu führen, sein Genießen ausschließlich oral, d.h. über die Mundschleimhaut zu organisieren – konkret durch Mund, Rachen und Zunge, aber auch verbal anhand eines dementsprechend spezifischen Gebrauchs der Sprache. Neben der oralen Fixierung gibt es weitere Fixierungen der Libido. In der Schrift Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905) führte Freud die Sexualität aus der konventionellen Auffassung der Biologie des 19. Jahrhunderts heraus, wonach sich deren Funktion in der Fortpflanzung der Menschheit erschöpfe. Das Kinderkriegen erscheint hier als ein mehr oder weniger zufälliger Effekt eines komplexen Triebgeschehens.

Aus der konformistischen Idealwelt marktwirtschaftlicher Austauschbeziehungen wird das Wirken der Triebe im allgemeinen ausgeklammert. Hier herrschen klare Grenzen des Genießens, die sich in Verhaltensregeln niederschlagen. Die Frage nach der Sprache des Kunden interessiert sich dafür, dem Kunden zu gefallen, indem man sich ihm annähert bzw. ähnlich macht. Es geht ums Gefallen. Und dennoch drängen auch hier unentwegt die Partialtriebe dazwischen. Ein Beispiel: Das Werbevideo einer Handelskette suggeriert, Handel sei „supergeil“. Ein Ausdruck mit unverhohlener sexueller Konnotation. In dem Video wird lustvoll gegessen, getrunken, gebadet – Crèmes und Toilettenpapier tauchen auf. Kauen, Schlucken, Berühren und weitere lustvolle Praxen werden verführerisch inszeniert.

Weil die Triebe allgegenwärtig sind, sah es Freud als geboten an, über eine Grammatik der Triebe nachzudenken. Mit ihrer Hilfe erklärt die Psychoanalyse die vielfältigen Dynamiken des Triebgeschehens, deren Effekte sich alltäglich in den Beziehungen zwischen Individuen und in Gruppen niederschlagen. Beim Umgang mit dem, was wir von uns und voneinander wissen, sollte dieser Aspekt nicht außenvorbleiben. ‘Wissen’ ist aus psychoanalytischer Sicht untrennbar mit den Trieben und ihren Schicksalen verbunden.

 

Moritz Senarclens de Grancy

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