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Psychoanalytisches Business Coaching

Der Störenfried im Team

„Sobald er den Mund aufmacht, muss ich innerlich die Augen verdrehen und mich zusammenreißen, trotzdem zuzuhören.“

Die Dynamiken in einem Team sind oft nicht leicht zu durchschauen. Unsere Kollegin Rebekka Haug forscht im Bereich der psychodynamischen Teamentwicklung und untersucht in diesem Beitrag, welche Auswirkungen (unterschwellige) Aggression, Sympathien und Antipathien im Team haben. Nicht nur für Führungskräfte ein spannender Impuls.

Selten sind Sympathien im Team gleich verteilt

Mit manchen im Team kann man besser, mit manchen weniger gut zusammenarbeiten. Nicht selten stößt man sich immer wieder an einer bestimmten Person, einem Kollegen oder einer Vorgesetzten: ich nenne ihn*sie hier den persönlichen Störenfried. Zwischen höflicher Distanz, latenter Skepsis, innerer Genervtheit und offenen Konflikt liegen viele Spielarten, mit denen man dieser Person begegnen kann. Oft erscheint ganz offensichtlich, was uns an dieser Person stört: sie ist zu lauf, zu aufdringlich, zu vorschnell, zu kritisch, immer dagegen, beteiligt sich nicht, ist faul, unprofessionell, desinteressiert, langweilig, weiß es immer besser, hört nie zu, lässt nicht ausreden etc. Wenn uns jemand bei der Arbeit ärgert oder ständig nervt, arbeiten wir sehr viel weniger gerne mit dieser Person zusammen. Wenn sich negative Gefühle einschleifen und verhärten, fressen sie Energie, die eigentlich in die Arbeitsaufgabe investiert werden könnte. Gleichzeitig sinkt die allgemeine Arbeitszufriedenheit, Stress und Anspannung erhöhen sich. Und so kann schleichend die Lust verlorengehen, überhaupt arbeiten zu gehen. Um zu verhindern, dass ein Störenfried immer mehr Raum innerlich (Gefühle) und äußerlich (Zusammenarbeit) bekommt, lohnt es sich also, genauer hinzuschauen. Meistens fühlen wir uns klar im Recht, dass diese Person anstrengend oder unangenehm ist und machen sie und ihre Eigenart verantwortlich dafür, dass die Zusammenarbeit nicht gut klappt. Dieses Urteil hilft aber selten weiter, wenn die Person im Team bleibt. Der persönliche Störenfried kann aufschlussreicher sein, als man denkt. Nicht jede*r im Team hat dieselbe Person als persönlichen Störenfried auserkoren. Man kann sich an unterschiedlichen Menschen und Eigenschaften „aufhängen“1, und das kann verschiedene Gründe haben. Wir betrachten die Störenfried-Dynamik auf drei verschiedenen Ebenen: der Person, der Rolle und des Systems. Für einen guten Umgang setzen wir zunächst bei dem Versuch an, zu verstehen:

Warum ist gerade er*sie mein persönlicher Störenfried?

Was genau stört mich eigentlich, welche Verhaltensweisen und Eigenschaften sind damit verbunden? In einem (fiktiven) Beispiel ist es mein Kollege Matthias, der in Teamsitzungen anderen schnell sagt, was sie machen sollen – ohne, dass es seine Aufgabe ist. Ich empfinde ihn als bestimmerisch, das nervt mich, macht mich ärgerlich. Das führt dazu, dass ich mich zusammenreißen muss, ihm höflich zu begegnen. Ich kann ihm schlechter zuhören, möchte mir nichts sagen lassen, erledige die damit verbundenen Aufgaben mit Widerwillen, was mich Energie und Überwindung kostet. Ich stelle mir also die Frage: Wie war das bisher in meinem Leben mit bestimmerischen Menschen? Vielleicht merke ich dabei, dass mich eigentlich schon immer Menschen genervt haben, die ich so erlebe. Ich erinnere einen Freund aus der Schule, eine ehemalige Arbeitskollegin, und vielleicht denke ich auch an meine ältere Schwester, die mir als Kind immer vorgeschrieben hat, was ich machen soll. Aus der eigenen Biographie heraus kann verständlich werden, warum gerade diese Handlungen oder diese speziellen Eigenschaften von Menschen uns „antriggern“, warum sie stärkere Gefühlsreaktionen in uns auslösen als andere Menschen oder andere Eigenschaften. Dieses Phänomen nennt die Psychoanalyse Übertragung: dass unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit auch unser Erleben und unseren Umgang in der Gegenwart beeinflussen. Es mag also nicht nur an meinem Kollegen Matthias liegen, dass ich genervt bin. Ich scheine ein unangenehmes Gefühl zu bekommen, das ich schon aus anderen Situationen kenne: dass jemand über mich bestimmt und ich das Gefühl habe, mich nur schwer wehren zu können. Hinter meinem Ärger zeigt sich ein bisher verstecktes Gefühl von Machtlosigkeit. In den Teamsitzungen wird dieses Gefühl hervorgeholt. Diese Erkenntnis hilft mir bereits, den Ärger etwas von Matthias als Person loszulösen – es besänftigt mich ihm gegenüber, und eröffnet mir eine neue Perspektive.

Hat das was mit MIR zu tun?

Meine Reaktion auf Matthias kann also mit meinen früheren Erfahrungen zu tun haben. So einfach ist die Antwort aber nicht immer. Denn nicht alles, was ich als schwierig bei anderen erlebt habe, hat heute eine solche Auswirkung auf mich. Ein weitere, allerdings nicht immer so bequeme Überlegung betrifft meine eigene Person: Häufig stört uns an anderen das, was wir an uns selbst nicht mögen, was wir in uns selbst befürchten, nicht wahrhaben wollen, was wir verurteilen, uns nicht gönnen – oder wovon wir eigentlich gerne auch etwas hätten. Ich muss mir also an die eigene Nase fassen: gibt es womöglich heimlich in mir den Wunsch, auch zu bestimmen? Missgönne ich es dem Kollegen, weil ich es mich selbst nicht traue? Weil ich nach außen nicht so wirken möchte, aber gleichzeitig eigentlich gerne bestimmen will? Die Auseinandersetzung mit den eigenen Eigenschaften, mit dem eigenen Selbstbild (wie ich mich sehe) und dem eigenen Idealbild (wie ich mich gerne sehen möchte und will, dass andere mich sehen) ist eine nicht leichte, aber produktive Angelegenheit. Der Störenfried kann dabei eine Hilfe sein. Er weist uns darauf hin, wo es bei uns selbst Baustellen gibt, die wir zu umschiffen versuchen, indem wir sie stattdessen am Störenfried „bearbeiten“. Den anderen verändern zu wollen, riskiert oft verlorene Mühe, das kennt man aus Partnerschaften und Familie. Und wenn das Problem auch etwas mit mir selbst zu tun hat, wird es sich nicht plötzlich auflösen, wenn der andere sich verändert.

Er, ich und die anderen

Die besagte Störenfried-Beziehung entsteht nicht im luftleeren Raum. Matthias und ich sind Teil eines Teams. Hier gibt es offiziell verteilte Rollen, wie Teamleiter*in, Moderator*in, Verantwortliche*r für x bzw. y, Protokollant*in, IT-Fachfrau usw. Daneben gibt es auf einer anderen Ebene informelle Rollen, die weder offiziell vergeben wurden noch unbedingt direkt ersichtlich sind. Eine Kollegin „versorgt“ das Team immer mit Keksen, stellt die Stühle zurecht; ein anderer Kollege reißt in heiklen Situationen einen Witz, der die Stimmung lockert; einer übernimmt die Verantwortung, das Gemeinsame hervorzuheben, ein anderer nimmt in Diskussionen häufig die Gegenposition ein; einer möchte alles ganz genau durchsprechen, eine treibt Entscheidungen voran. Jedes Team hat eigene Dynamiken, in denen Rollen zugewiesen und übernommen werden. Welche Rolle nimmt Ihr Störenfried ein? Und welche Rolle haben Sie bekommen – bzw. sich in welche eingefunden?

Was, wenn der Störenfried weg wäre?

Leichter zu beantworten ist diese Frage durch folgendes Experiment. Stellen Sie sich vor: Was wäre, wenn Ihr Störenfried nicht mehr da wäre? Was wäre anders im Team? Häufig ist die erste Vorstellung, dass alles leichter wäre. Man selbst wäre viel entspannter, die Zusammenarbeit mit den anderen würde besser funktionieren, der „Störfaktor“ wäre eliminiert, Friede und Produktivität träten ein. In der Realität sieht das allerdings oft anders aus. Konflikte verschieben sich auf andere Menschen oder andere Bereiche, neue „Lager“ treten zutage. Ist der alteingesessene Querulant nicht mehr da, muss nun jemand anderes dagegenhalten; oder niemand traut sich mehr, in einer homogenen Harmonie eine Gegenperspektive einzunehmen, sodass wichtige kritische Perspektiven verloren gehen.

Störenfried als Schauplatz

Wohin würde Ihre Energie fließen, die bisher in Ihrem Ärger oder der Auseinandersetzungen mit dem Störenfried gebunden war? Dahinter steht die Frage: Was gibt mir der Ärger auf meinen Störenfried? Verhindert es, dass ich selbst der Störenfried im Team werde? Schweißt mich mein Ärger in Lästerei mit anderen zusammen? Stellt er mir einen konkreten „Feind“ zur Verfügung, auf den ich einen Ärger münzen kann, der sonst nirgends unterkommt? Das kann z.B. der viel schwieriger zu artikulierende Ärger auf den dominanten Chef, auf die selbstgewählte Arbeitssituation, auf eigene Antriebslosigkeit etwas zu verändern sein. Die Beziehungen zu Kolleg*innen, die von einer Mischung aus Nähe (viel gemeinsame Zeit) und gleichzeitig Distanz (oft keine private Beziehung) geprägt sind, stellen gefundene Projektionsflächen für stellvertretenden Ärger aus ganz anderen Bereichen dar. Wenn ich mich nicht mehr über meinen Kollegen aufregen kann, über was würde ich mich dann aufregen? Den Chef, meine Arbeitssituation, meine stagnierende Karriere, meine Partnerin, den Nachbarn?

Störenfried und das Unternehmen

Vor allem für Menschen mit Führungs- bzw. Personalverantwortung ist es interessant, das Verhalten ihrer Mitarbeiter*innen nicht nur auf einer persönlichen Ebene, sondern auch in Bezug auf deren Rolle und die Strukturen des Unternehmens im Auge zu haben. Inwieweit liegt Ihrer Beziehung zum Störenfried womöglich die allgemeine Situation im Unternehmen zugrunde? Sowohl die eigene Wahrnehmung, wie auch die Wahrnehmung und das Verhalten des Störenfrieds sind auch durch unbewusste Dynamiken im System des Unternehmens beeinflusst. Unbewusste Dynamiken eines Unternehmens meinen implizite Strukturen und Umgangsarten, die sich – wie z.B. ähnlich auch in Familiensystemen – eingebürgert haben und die Stimmung prägen. So gibt es typische Verhaltensweisen innerhalb eines Unternehmens, wie mit Aufgaben oder z.B. mit Überforderung oder Ängsten umgegangen wird. Während in manchen Unternehmen schnell ein Gefühl von Hilflosigkeit und eine Fixierung auf die Führungsperson (als Retter*in) entsteht, werden in anderen Unternehmen Bedrohungen eher ignoriert oder auf andere Konflikte verschoben. Oder aber es bilden sich Parteien, oder eine Art „Revolution von unten“ entsteht (mehr dazu schreibt der britische Psychoanalytiker W.R. Bion, auf dessen Beobachtung von Gruppen viele psychodynamische Theorien zurückgehen). Haben das bestimmerische Verhalten meines Störenfrieds Matthias, und auch meine genervte Wahrnehmung von ihm etwas mit der Stimmung im Unternehmen zu tun? Stehen wir z.B. unter Konkurrenzdruck zu anderen Unternehmen, sodass überall Handlungsdruck entsteht? Befürchtet das Team unterschwellig: Der Schwächste fliegt, da voraussichtlich Stellen abgebaut werden müssen? Schwelende und unausgesprochene Ängste, individuell aber auch kollektiv, beeinflussen die gegenseitige Wahrnehmung und den Umgang miteinander. Ich muss meinen Störenfried mit meiner allgemeinen Arbeitssituation in Verbindung setzen. Ärger bündelt Ängste. Wenn in Unternehmen Ängste keinen Raum bekommen, verschieben sie sich häufig auf andere Ebenen, wie z.B. zwischen die Mitarbeiter*innen. Dort sind sie dann allerdings nur schwer zu lösen.

Die hier beschriebene zunächst innere Auseinandersetzung mit dem Störenfried kann eine innere Veränderung mit sich bringen. Auch hypothesenhafte Überlegungen können bereits helfen, die andere Person, sich selbst und die Beziehung besser zu verstehen und einzuordnen. Das hat einen positiven Einfluss auf die angespannte Stimmung. Der Ärger wird weniger, Verständnis für die andere Person, eigene Herausforderungen und die Arbeitssituation entstehen. Merkt man dabei, dass man die Auseinandersetzung mit der Person auch im außen suchen sollte, so ist es hilfreich, sich zunächst folgende Fragen zu stellen:

  • Was habe ich bisher versucht, die Situation zu verändern? Was war hilfreich, was weniger?
  • Was habe ich womöglich selbst dazu beigetragen, dass sich die Situation verschärft hat? Was kann ich ändern?

Schwierigkeiten konstruktiv anzusprechen, kann man üben. Dabei sind Formulierungen und die „message“, die man dem*der anderen vermitteln möchte, von Bedeutung. Auch hängt es von der Rolle und Position ab, die man in einer Organisation einnimmt, wie auch von der formellen und informellen Beziehung, die zu der anderen Person besteht. Es macht einen Unterschied, ob ich meiner Mitarbeiterin oder meinem Chef etwas zurückmelde, und die Vertrautheit und Sympathie lassen das gleiche Feedback in unterschiedlichem Licht erscheinen. Ein Coaching kann helfen, die eigene Kommunikationsfähigkeit zu stärken und zu trainieren. Deutet die innere Auseinandersetzung auf eigene Themen hin, die man ausführlicher betrachten möchte, so können sie im Rahmen eines Business Coaching vertraulich auf den Tisch gebracht und bearbeitet werden. Auch können Vorgesetze ihren Mitarbeiter*innen ein Coaching als Entwicklungsmöglichkeit ans Herzen legen. Bei schwelenden oder offenen Konflikten zwischen zwei (oder mehr) Parteien sollten neutrale Dritte zu Rate gezogen werden, wie es bei einer Mediation der Fall ist. Wird in der inneren Auseinandersetzung deutlich, dass problematische Teamdynamiken im Vordergrund stehen, so empfiehlt sich, auch einen Umgang auf der Team-Ebene zu suchen. Dazu können regelmäßige Supervisionen beitragen, die nicht zwangsläufig konkrete Personen und deren Beziehung in den Vordergrund stellen. Durch die Förderung der Zusammenarbeit können sich verhärtete Konstellationen wieder entspannen.

Psychodynamische Betrachtung als Beginn

Das ist ein Beispiel dafür, wie in einer psychodynamischen Betrachtungsweise verschiedene Ebenen und Aspekte (Person, Rolle, System) zum Tragen kommen können. Nie ist nur ein Aspekt wichtig, aber teilweise hat eine Ebene einen besonders erhellenden Effekt. Der Störenfried erscheint so in einem neuen Licht, und ermöglicht mir, meine Wahrnehmung zu überprüfen, meine Gefühle zu verstehen und mich letztendlich zwischen verschiedenen Handlungsoptionen zu entscheiden.

Der Störenfried ist immer erst mal der*die Andere. Leider kann man schnell auch selbst zu „dem*der Anderen“ werden: Genauso, wie ich mich an meinem Kollegen Matthias störe, kann sich dieser (oder auch ein anderes Teammitglied) an mir stören. Würde ich mir dann nicht auch wünschen, nicht nur einfach als „Störenfried“ abgestempelt zu werden, sondern dass der*die Andere zumindest versucht, mich in meiner Eigenart zu verstehen? Dass er*sie versucht, sich in mich und meine Schwierigkeiten, meine Potentiale, meine Rolle und meine möglichen Beweggründe hineinzuversetzen? Und das mit dem Ziel, einen zuvor womöglich ungeahnten Weg zu finden, wieder offen für eine gelingende Zusammenarbeit zu sein und mit einem klareren und milderen Blick aufeinander zugehen zu können.

1 Auch wenn es auch komplexere Dynamiken im Team gibt, z.B. Mobbing

Dipl. Psych. Rebekka Haug, Autorin und Coach bei dynaMIND