Die geheimen Wünsche von Teams – Teil II: Das unbewusste Unternehmen
Unternehmen werden von Menschen geprägt, geleitet und inhaltlich und strukturell ausgestaltet. Die in unserem letzten Artikel beschriebenen Prinzipien zum Bestehen eines Unbewussten finden Sie nicht nur in oder zwischen den Einzelnen, sondern auch als kollektive Dynamiken in Teams. Einige Ideen dazu finden Sie in diesem Artikel.
Der Einfluss der Führungskräfte auf die Kommunikation im Team
Studien aus der psychoanalytischen Coaching Forschung zeigen, dass das die Persönlichkeit und damit auch das Unbewusste der Führungskräfte eine große Rolle auf Dynamiken in Teams und die Kommunikation im ganzen Unternehmen hat. Dass die Persönlichkeit der Teamleitung die Stimmung im Team beeinflusst, ist nicht weiter verwunderlich. Wer sein Team sehr autoritär leitet, der erlebt sicherlich auch seine Mitarbeiter als wenig impulsiv und kreativ. Abläufe laufen wahrscheinlich sauber und es besteht ein hoher Grad an Perfektion, das Chaos ist eingedämmt, aber die Ideen sprudeln auch nicht. Was aber genau passiert da psychodynamisch?
Gehen wir weiter von einer bestimmenden und eher dominanten Führungskraft aus. Ihr mehr oder weniger unbewusster Wunsch ist sicherlich der Wunsch nach Sicherheit, Kontrolle und dem Gefühl von Macht und Einfluss. Die bestimmende Angst ist die des Kontrollverlustes. Aber wovor eigentlich fürchtet sich dieser Vorgesetzte? Häufig haben Menschen, die selbst einen hohen Grad an Kontrolle über andere ausüben, in ihrer Biographie die Erfahrung gemacht, sich selbst kontrolliert und ohnmächtig gefühlt zu haben. Und weil diese Erfahrung der Ohnmacht so unangenehm war, ist bis heute das Ausüben von Macht die einzige scheinbar erträgliche Lösung. Sie üben Kontrolle über andere aus und verhindern auf diese Weise, Gefühle von Ohnmacht spüren zu müssen. Auch kanalisieren sie auf diese Weise die eigenen zurückgehaltenen Aggressionen. Wenn eine solche Führungskraft nun ein Team maßgeblich prägt, dann kann folgendes passieren: Unbewusst passen sich Mitarbeiter*innen den Wünschen des Vorgesetzten an und bemühen sich, diese zu erfüllen. In ersterem Falle wären die Mitarbeiter*innen also angepasst und um Sorgfalt bemüht, aber wenig kreativ. Sie würden sich jedoch als wenig frei und autonom erleben, was je nach Persönlichkeit der Einzelnen dann wiederum auch zu mehr oder weniger offener Aggression führen könnte. Wenn die betreffende Führungskraft dies wiederum spürt, fühlt sie sich in ihrer Angst bestätigt, dass in diesem Team die Aggressionen leicht „aus dem Ruder“ laufen könnten und sie zieht auf die ihr eigene Weise die Zügel noch enger.
Inszenierungen der Familiendynamiken finden sich häufig in Teams
Die Vorgesetzten nehmen dabei häufig die Rolle der Eltern ein und die Mitarbeiter*innen, die der Kinder oder untereinander konkurrierenden oder verbundenen Geschwister. Das neurotische Profil der Führungskräfte schafft einen emotionalen Raum in dem die Themen Autonomie/ Ohnmacht/ Kreativer Austausch/ Impulsivität/ Wünsche nach Versorgung/ Selbstwert und so weiter auf eine Weise angesprochen werden, die der Art der Führungskraft entspringt. Sie lässt den emotionalen Themen nur so viel Raum, wie sie selbst es erträgt oder überhaupt wahrnehmen kann. Ein anderes Beispiel ist eine Führungskraft, die das unbewusste Thema der Versorgung stark in ihrer Persönlichkeit verwurzelt hat. Sie erlebt sich selbst als wohlwollend und freundlich, aber in ihrem Team sind Themen wie Erschöpfung häufig, die einzelnen haben das Gefühl, zu kurz zukommen, zu konkurrieren um Ressourcen und sie erleben Gefühle von Neid. Was ich ausdrücken will, ist folgendes: die Kommunikation in einem Team ist immer unter dem Aspekt der Dynamik zwischen den beiden kommunizierenden zu sehen, aber auch vor dem Hintergrund einer Stimmung im Team. Und diese ist stark geprägt durch die Führungskraft des Teams.
Kollektive Abwehr
Das weist uns auf einen weiteren interessanten Aspekt hin. Mitarbeiter*innen nähern sich in ihrer Art des Umgangs mit Gefühlen, also in ihrer Art der Abwehr einander zunehmend an. Das ist einerseits, wie eben beschrieben, geprägt durch die Führungsebene. Andererseits entsteht auch in Teams ein kollektiver Umgang mit Ängsten und mit anderen Gefühlen. Das Tavistock-Institut in London hat in diesem Bereich ausführliche und für das psychodynamische Arbeiten mit Unternehmen sehr produktive Forschung geleistet. Die Grundannahme ist, dass jedes Unternehmen eine Aufgabe hat und dass mit dieser Aufhabe eine ihr immanente Angst einhergeht. Die Angst zu scheitern, die Aufgabe nicht zu bewältigen, es ist das Risiko das jedes Unternehmen in sich trägt. Diese Angst muss im Unternehmen ausgehalten werden und um das zu schaffen muss das Unternehmen eine Art der kollektiven Abwehr entwickeln. Wenn Sie in ein Unternehmen gehen, kann sich das anfühlen als ob sie in ein Familiensystem kommen: es gibt ein ganz eigenes Klima, Gewohnheiten, eine bestimmte Art zu kommunizieren und eben eine bestimmte Art mit Gefühlen umzugehen und Ängste zu bewältigen. In einem Unternehmen werden sie weg gelacht, in einem anderen verschwiegen, in einem dritten übernehmen die Ängste panikartig die Kontrolle über das Team
Sie könnten sich und Ihr Team fragen:
- Über welche emotionalen Themen kann bei uns im Team überhaupt gesprochen werden und über welche nicht?
- Wie geht unser Team mit Angst um?
- Wie prägt unsere Führungskraft unser Team und die Kommunikation untereinander?
- Welche Rolle habe ich im Team und was sind meine unbewussten Wünsche an das Team?
Der „Lieblingsumgang mit Angst
Ein solche Dynamik hat sich über die Jahre in Unternehmen entwickelt. Es ist sicher auch Ergebnis davon, wie die Führungsebene derlei Ängste handelt, aber eine solch kollektive Abwehr kann sich auch über Generationen im Unternehmen halten und immer rigider werden (auch hier liegt der Vergleich zu Familien nicht weit).Wichtig ist mir an dieser Stelle nochmal zu betonen, dass eine solche Abwehr sinnvoll und für die psychische Gesundheit und das Funktionieren eines Teams absolut sinnvoll ist. Ohne Abwehr wären wir von unseren Wünschen, Gefühlen und Ängsten überflutet. Abwehr ist in jeder Kommunikation enthalten und erst wenn die Abwehr zu rigide wird und sich zu sehr „einmischt“, dann wird es schwierig. Das Tavistock-Institut in London hat Momente wie diese recht genau untersucht. Wenn das Risiko, das in einer Aufgabe liegt, zu hoch ist oder aus anderen Gründen die Angst wird größer und die Abwehr auch. Dann fällt das Team in eine Art Überlebensmodus, ein Modus, der durch recht archaische Prinzipien geprägt ist.
Das Team im Überlebensmodus
Wenn ein Team einem solchen Modus ist, dann kann die Kommunikation nicht mehr funktionieren. Dann sind grobe Verzerrungen, starke Gefühle von Lustlosigkeit, Konkurrenz oder andere dysfunktionale Dynamiken nicht weit. Um wieder in einen arbeitsfähigen Modus wechseln zu können, braucht es häufig Supervision von außen. Letztendlich geht es aber darum, dass die Führungskraft wieder in der Lage ist, emotionale Sicherheit herzustellen. Sie muss die Gefühle und vor allem die Ängste der Mitarbeiter*innen aushalten und beruhigen können. So wie oben beschrieben die Mutter die Ängste des Kindes auf gewisse Weise zu ihren macht, sie aber in sich beruhigen kann und dann auf gut erträgliche Weise zurück gibt, so ist es die Aufgabe eine guten Führungskraft, die Affekte im Team wahrzunehmen und aufzufangen und eine Art von emotionaler Sicherheit zu schaffen, dass solche Affekte das Team nicht stören. Dazu muss eine Führungskraft in der Lage sein, die eigenen Gefühle und Wünsche, die sie an das Team hat, zu reflektieren. Ob es nun ein Wunsch nach Versorgung, nach narzisstischer Bestätigung oder nach Macht ist, es ist wichtig diese Wünsche zu kennen und nicht übermäßig auszuagieren. Sicherlich ist niemand frei vom Gefallen an Macht, oder von Wünschen nach Bestätigung. Aber die Frage ist, ob Führungskräfte das Team stützen oder umgekehrt.
Emotionale Sicherheit im Team ist der Schlüssel zu Kreativität und Produktivität
Was es also braucht, ist emotionale Sicherheit in der Teamkultur. Eine Haltung, die die Teammitglieder empowert, Affekte zu wahrzunehmen, authentisch zu kommunizieren und auch kritische Fragen zu stellen. Fehler sind dann keine Fehler mehr, sondern lösen Interesse aus: Was genau ist da passiert? Welche unbewussten Wünsche haben sich da „eingemischt“? Was war vielleicht noch undeutlich im Gesamtprozess? Was hat der Wutanfall des Kollegen mit dem ganzen Team zu tun? Ebenso ist der Umgang mit Konflikten: Was genau bilden die beiden Streithähne da ab? Wenn beide Seiten des Konfliktes zusammen gesehen werden: sind sie dann nicht zwei Seiten derselben Thematik, eine Ambivalenz, die wir vielleicht alle kennen? Wenn wir Gefühle als Bedürfnisse verstehen und die Schönheit der Bedürfnisse anerkennen, dann verstehen wir Prozesse in ihrer Tiefe. Dann werden Hindernisse zu Möglichkeiten und es entsteht ein kreatives und proaktives Klima, in dem das Potential der Einzelnen Raum hat.
Mehr über das Unbewusste in der Business-Kommunikation finden Sie bei uns im Einzelcoaching oder in unserem nächsten Blog Artikel, in dem Sie einige konkrete Ideen finden zur Teamentwicklung.