Emotionsregulation – die Schlüsselkompetenz für Führungskräfte
Gefühle beeinflussen unsere Gedanken und unser Verhalten. Selbst wenn Sie sich und Ihre Mitarbeiter eher als sachlich und rational charakterisieren, werden Sie und Ihr Verhalten – wenn auch nicht immer offenkundig sichtbar – von Emotionen geleitet. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer emotional aufgeladenen Situation – sagen wir in einem Team-Meeting – und versuchen diese souverän zu meistern. Das kann schwer sein, oder? In solchen Situationen können gute Emotionsregulationsfähigkeiten von Vorteil sein. Doch welche Formen der Emotionsregulation gibt es und wie kann psychoanalytisches Businesscoaching Ihnen dabei helfen, mit Ihren Gefühlen und denen Ihrer Mitarbeiter umzugehen?
Emotion, Affekt, Stimmung, Motive & Motivation – Was ist eigentlich was?
Emotion, Affekt, Gefühle, Stimmung, Motive und Motivation. Bei all diesen Begriffen kann man schon mal durcheinanderkommen. Die Begriffe hat man zwar alle schon mal gehört, aber was damit genau gemeint ist und wie man die Begriffe voneinander unterscheidet ist selbst in der Psychologie nicht immer ganz klar uneinheitlich. Daher werde ich erstmal etwas Klarheit in das Begriffswirrwarr bringen und mich dabei auf die Definitionen nach Krause (2012) beziehen. Also.
Emotionen sind ein Oberbegriff und umfassen all jene qualitativ beschreibbaren, zeitlich begrenzten psychophysiologischen Zustände, die eng mit den inneren Motiven verknüpft sind und ihren Ausdruck im offenen Verhalten finden.
Daneben unterscheidet man noch die Affekte, das Gefühl, die Stimmung und der Emotionsausdruck voneinander. Dabei wird der Affekt als die mit einer Emotion verbundene unwillkürliche körperliche Aktivierung des vegetativen und endokrinen Systems verstanden, die mit der Entstehung einer Handlungsbereitschaft assoziiert ist. Gefühle hingegen beschreiben das bewusste, subjektive Erleben einer Emotion, die als Teilkomponente emotionaler Prozesse jedoch eher selten ist.
Davon wird die Stimmung unterschieden, die einen längeren Zustand mit geringerer Intensität beschreibt, bei der das Objekt des affektiven Erlebens nicht gezwungenermaßen bekannt sein muss.
Und zu guter Letzt zeigt sich die Emotion im Emotionsausdruck, also in der Gestik, Mimik und anderen Formen der nonverbalen Kommunikation, wie der Stimme, der Körperhaltung usw..
So, und was haben jetzt unsere Emotionen mit unseren Motiven und damit auch mit unserer Motivation zu tun? Unsere Emotionen sind aufs Engste mit unseren Motivsystemen – also unseren inneren Beweggründen – verbunden. Ohne diese könnten wir unsere Emotionen auch nur schwer verstehen. Stellen Sie sich vor, Sie haben endlich ihr neues Projekt fertiggestellt und gehen damit ganz stolz zu Ihrem Chef, um von ihm Anerkennung zu bekommen. Lobt er sie für ihre tolle Arbeit, gehen Sie womöglich stolz und zufrieden aus seinem Büro raus, nickt er es hingegen nur ab, sind sie frustriert oder gar verärgert. Hier stimmt unser Motiv – für die Arbeit Anerkennung erhalten zu wollen – nicht mit der aktuellen Situation oder deren Bewertung überein. Unser inneres Gleichgewicht gerät ins Wanken und negative Emotionen entstehen. Je stärker diese Diskrepanz zwischen dem eigenen Motiv und der aktuellen Situation ist, desto stärker sind die Emotionen und Handlungsimpulse, die ausgelöst werden. Damit versuchen wir dann unser inneres Gleichgewicht wieder herzustellen oder die Diskrepanz zwischen dem Ist und dem Soll-Wert zumindest etwas zu vermindern.
Formen der Emotionsregulation
Natürlich gibt es auch im Arbeitskontext immer wieder Situationen, in denen man den spontan auftretenden Emotionen und den damit verbundenen Handlungsimpulsen folgen kann. Auch das ist eine Strategie, mit seinen Emotionen umzugehen und sich Entlastung zu verschaffen. Passen diese Emotionen dann auch noch zu den beruflich Erwünschten, bedarf es auch keiner weiteren Emotionsregulationsstrategien. Die Arbeitswelt hält aber meist sehr verschiedene, komplexe oder gar widersprüchliche Situationen bereit, in der verschiedene Emotionsregulationsstrategien nötig sind, um eine Lösung zu finden, die für einen selbst und sein Umfeld verträglich ist.
Viele Emotionsforscher stellen die bewussten, reflexiven Emotionsregulationsstrategien in den Fokus. Hierzu zählten unter anderem die kognitive Neubewertung, Achtsamkeitsübungen oder auch Skilltrainings. Aus psychoanalytischer Perspektive sind jedoch eher die unbewussten, automatischen Regulationsstrategien und die dahinterliegenden unbewussten Motivthemen von Bedeutung.
Wir alle haben Strategien, mit denen wir unsere Gefühle und Affekte beeinflussen. Häufig sind diese Strategien so unbewusst, dass wir unsere Emotionen gar nicht mehr wahrnehmen. Manche dieser Strategien haben wir ganz automatisiert in uns, es sind unsere sogenannten Abwehrmechanismen. Es gibt aber auch Emotionsregulationsstrategien, für die wir unsere Beziehungen zu anderen Menschen nutzen, um die eigenen Emotionen nicht spüren zu müssen. Diese Strategien werden in der Psychoanalyse auch Konfliktmodus genannt. Wie sieht das nun aus, wenn diese beiden psychoanalytisch fundierten Emotionsregulationsstrategien im Arbeitsalltag zum Einsatz kommen?
Zwei Fallbeispiele aus dem Berufsalltag
Zunächst ein Beispiel für die Emotionsregulation mittels eines Abwehrmechanismus: Stellen Sie sich eine Praktikantin vor, die an Ihrem letzten Tag zu Ihrer Chefin geht, um sich für die Zeit im Unternehmen zu bedanken und sich von Ihrer Chefin zu verabschieden. Diese hat jedoch anderes zu tun, wirkt fahrig, kramt in Ihren Unterlagen rum, geht während des Gesprächs ans Telefon und winkt ab. Die Praktikantin bleibt höflich, wenn auch etwas irritiert stehen und wartet geduldig, bis die Chefin den Hörer auflegt. Überfreundlich verabschiedet sich die Praktikantin von Ihrer Chefin und geht. Als die Praktikantin aus dem Büro rausgeht und nach Hause fährt, denkt sie nochmal darüber nach, dass sich die Chefin nicht mal am letzten Tag 5 Minuten Zeit nimmt, um sich zu verabschieden.
Doch was ist nun unbewusst in der Praktikantin vorgegangen? Vermutlich war sie ärgerlich und traurig, aber wollte sich diese Gefühle nicht eingestehen. Vielleicht hatte sie unbewusst auch Angst, ihre Chefin könnte ihre Wut merken und ihr dann nicht mehr wohlgesonnen sein. Indem die Praktikantin nun ihre Traurigkeit und Ihre Wut durch den Abwehrmechanismus der „Reaktionsbildung“ ins Gegenteil verkehrt – sich also der ihrer Chefin gegenüber besonders freundlich verhält – muss sie diese Emotionen nicht spüren. Gleichzeitig legt sie durch ihre Freundlichkeit ein Verhalten an den Tag, das für sie leichter auszuhalten und sozial verträglicher ist.
Während in diesem Beispiel die unbewusste Emotionsregulation intrapsychisch erfolgte, können Emotionen auch interpersonell reguliert werden. Nehmen wir beispielsweise eine Chefin, die ein Team leitet, welches an einem laufenden Projekt arbeitet. Das Projekt geht anfangs gut voran, wäre da nicht die dominante, kontrollierende Art der durchaus auch sehr leistungsstarken Chefin. Immer wieder kommt sie ins Büro, um ihr Team nach dem aktuellen Stand der Dinge zu fragen. Die Mitarbeiter legen ihr alle wichtigen Informationen vor, doch die Chefin möchte alle Details dezidiert erfahren und legt die Daumenschrauben immer weiter an. Bei Kritik oder Änderungsvorschlägen wird sie wütend und hat bei den gemeinsamen Meetings immer wieder das Gefühl, nicht ausreichend informiert worden zu sein. Dabei tritt sie sehr machtvoll auf und es gelingt ihr nicht, eine Haltung einzunehmen, in der sie ihre Ansichten nicht über die ihrer Mitarbeiter stellt, ohne dabei die eigene Haltung und die eigene Emotionalität zu verdrängen. Irgendwann schlagen die Angst, die Ohnmacht und der Ärger im Team in einen Machtkampf um. Während die einen ihre Teilziele nicht erreichen, versuchen die anderen, die Anweisungen zu unterlaufen, sowie der Chefin bei genauerem Nachfragen zu schmeicheln und dabei die Ergebnisse zu beschönigen.
Doch was steckt hinter dem Verhalten der Chefin? Möglicherweise hat sie selbst Angst, von anderen Menschen bestimmt, kontrolliert und ausgenutzt zu werden und sich damit ohnmächtig und hilflos zu fühlen. Indem sie sich also selbst kontrollierend und bestimmend gibt und Ihren Mitarbeitern gegenüber machtvoll auftritt, verlagert sie ihre Emotionen von Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht – mittels projektiver Identifizierung – in ihre Mitarbeiter. Während sich diese nun kontrolliert und ohnmächtig fühlen, muss die Chefin diese Emotionen selbst nicht mehr spüren und kann so ihre Emotionen regulieren.
Und nun?
Im Arbeitskontext kommt man also, wie an den beiden obigen Fällen beispielhaft gezeigt, nicht um die Auseinandersetzung mit den eigenen Strategien zur Emotionsregulation herum. Natürlich können Emotionsregulationsstrategien auch funktional sein. Beispielsweise müssen sich angehende Ärzte von Emotionen wie Ekel oder sexueller Erregung distanzieren können, um eine angemessene professionelle Haltung einnehmen zu können. Erst wenn die eigenen spontanen Emotionen nicht mit den beruflich erwünschten Emotionen zusammenpassen oder sich gar widersprechen, wird es notwendig, sich mit dem eigenen Innenleben und damit verbundenen Emotionsregulationsstrategien auseinander zu setzen.
Gerade Führungskräfte müssen im Umgang mit ihren Mitarbeitern eine große Bandbreite an Emotionen zeigen und zwischen ihnen auswählen können. Zudem sind sie auch mit der Regulation der Emotionen ihrer Mitarbeiter konfrontiert. Als Vorgesetzte müssen sie ihren Mitarbeitern nicht nur als Vorbild in Sachen Emotionsregulation dienen, sondern ihnen auch bei der Verarbeitung von aufkommenden Emotionen im Team regulierend zur Verfügung stehen. Auch dann, wenn es darum geht, sich auf die Mitarbeiter im Team einzustellen, sie zu motivieren, ihre Arbeitszufriedenheit und ihr Entwicklungspotential zu fördern, stellt die Fähigkeit zur Emotionsregulation eine Kernkompetenz dar, die für Führungskräfte unentbehrlich ist.
Psychoanalytisches Businesscoaching kann Ihnen dabei helfen, sich und andere Typen in ihrem Team besser kennen zu lernen und ihre Emotionsregulationsfähigkeit weiterzuentwickeln. Doch wie sieht das genau aus?
Psychoanalytisches Businesscoaching – lernen Sie sich und andere Typen besser kennen
Liegt der Fokus Ihres Coachings auf der Emotionsregulation kann es in Ihrem Coaching auf der Basis eines vertrauensvollen Coach-Coachee-Verhältnis darum gehen, dass Sie lernen, Ihrer emotionalen Lage und Ihre unbewussten Motivstruktur bewusster wahrnehmen und diese besser differenzieren können. Abseits des stressigen Arbeitsalltags kann es im Coaching gelingen, die eigene Abwehrstruktur aufzulockern und unliebsame Gefühle wie Neid, Scham, Schuld, Wut oder Traurigkeit zu bemerken, zu spüren, das verbale Repertoire von Gefühlen zu erweitern und sie in das eigene Selbstbild zu integrieren. Ist eine gute Coaching-Beziehung entstanden, kann es sogar gelingen, die bisher überfordernden und abgewehrten Emotionen im Coaching auf entspanntere Weise zu aktivieren. In einem gemeinsamen Reflexionsprozess über das emotionale Erleben und deren Ursachen – flankiert durch Bezüge zur eigenen Biografie – können Sie sich und Ihre jeweiligen Gefühlszustände einordnen und verstehen. Erst wenn diese Emotionen gemeinsam wiederholt durchgearbeitet, verstanden und integriert werden konnten, kann es gelingen, günstigere Emotionsregulationsstrategien zu entwickeln, die zu Ihrer Persönlichkeit passt. Haben Sie erst einmal ein besseres Verständnis für ihre emotionale und motivationale Welt erlangt, haben sie außerdem eine gute Grundlage, mit der es Ihnen besser gelingen kann, sich in Ihre Mitarbeiter hineinzuversetzen und ihnen – gerade in Krisenzeiten oder Change-Prozessen – für die Regulierung aufkommender, überfordernder oder widersprüchlicher Emotionen zur Verfügung stehen zu können.
Wenn sie sich und andere Typen besser kennen und entsprechende Emotionsregulationsstrategien entwickeln wollen, helfen wir Ihnen gerne dabei. Kontaktieren Sie uns hier.
Julia Perlinger, Coach bei dynaMIND
Literatur:
Krause, R. (2012). Allgemeine psychodynamische Behandlungs- und Krankheitslehre. Grundlagen und Modelle (Bd. 2). Stuttgart: Kohlhammer
Sell C., Möller H., Benecke C. (2017) Emotionsregulation und Coaching. In: Greif S., Möller H., Scholl W. (eds) Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching. Springer Reference Psychologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-45119-9_12-1
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