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Psychoanalytisches Business Coaching

Job Hopping – Wie Organisationen die „Generation-beziehungsunfähig“ an sich binden können

Der Autor Michael Nast beschreibt die Generation Y in seinem gleichnamigen Buch als beziehungsunfähig. Eine provokative Aussage, die er primär auf private Beziehungen bezieht. Doch auch im beruflichen Kontext wird dieser Generation immer wieder nachgesagt, dass sie zu häufigen Jobwechseln neige. Organisationen reagieren darauf, indem sie im Sinne der Mitarbeiterbindung Anreize schaffen, die die Mitarbeiter*innen langfristig(er) an das Unternehmen binden sollen. Um zu verstehen, wie ein solcher Bindungsprozess wirklich gelingen kann, lohnt es sich, das Thema Beziehungsfähigkeit genauer zu betrachten. Was bedeutet eigentlich beziehungsunfähig?

Psychodynamik der Beziehungsunfähigkeit

Nach dem Psychoanalytiker und Pionier der Bindungsforschung John Bowlby ist das Streben nach engen, emotionalen Beziehungen ein angeborenes Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Als Bindungsverhalten definiert Bowlby jedes Verhalten, das darauf ausgelegt ist „die Nähe eines vermeintlich kompetenteren Menschen zu suchen und zu bewahren, ein Verhalten, das bei Angst, Müdigkeit, Erkrankung und entsprechendem Zuwendungs- oder Versorgungsbedürfnis am deutlichsten wird“. Als Säugling suchen wir bei unseren Bezugspersonen Nähe, die uns Schutz und Trost bietet. Je nachdem, ob und zu welchem Grad diese frühen Bedürfnisse erfüllt worden sind, entwickeln Kinder Reaktionsmuster auf den tatsächlichen oder drohenden Verlust einer Bezugsperson, etwa wenn die Mutter oder der Vater zeitweise abwesend sind. Diese Reaktionsmuster werden als innere Repräsentanzen abgebildet und tauchen in späteren Beziehungen immer wieder auf. Nur dann, wenn wir uns der Nähe und Geborgenheit sicher fühlen, können wir mit (vorübergehender) Trennung umgehen und autonome Impulse ausbilden. Fühlen wir uns nicht sicher, sind wir als Kinder permanent damit beschäftigt, ein Gefühl der Sicherheit zu erlangen und zu verhindern, wieder verlassen zu werden. Das zentrale Thema ist hier Verlustangst. Auf der anderen Seite des Spektrums steht das Bedürfnis nach Autonomie und Individuation. Wenn wir als Kind gelernt haben, dass Bindungen nur dann sicher sind, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche hintenanstellen oder gar ignorieren, eigene autonome Impulse also nicht erlebt werden durften, fühlen wir uns in späteren Beziehungen schnell vereinnahmt oder haben das Gefühl uns zu verlieren. Das zentrale Thema ist hier Angst, vereinnahmt zu werden. Um eine haltgebende Bindung einzugehen, braucht es also das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit auf der einen Seite und die Möglichkeit zur Individuation und Autonomie auf der anderen Seite. Das Aus-handeln von Nähe (Sicherheit) und Distanz (Autonomie) ist ein zentrales Thema einer jeder Beziehung, sei es in einer Liebesbeziehung oder auch der Beziehung mit Vorgesetzen oder Kolleg*innen. In Bezug auf unsere Arbeitsbeziehungen kann Sicherheit neben der Arbeitsplatzsicherheit auch bedeuten, dass wir uns zugehörig und gemocht fühlen. Gleichzeitig wollen wir persönliche Ziele verfolgen, uns weiterentwickeln und die Möglichkeit bekommen, eine eigene berufliche Identität zu entwickeln.

Mission Selbstfindung: Das Job Hopping – Phänomen

Für den Individuationsprozess braucht es also zunächst ein Gefühl von Sicherheit. Für viele steht der Job heute nicht mehr ausschließlich für finanzielle Absicherung und soziale Zugehörigkeit, wie es früher einmal der Fall war. Finanziell basisabgesichert durch die Gesellschaft und sozial eingebunden in verschiedenste soziale Gruppierungen, verbunden durch digitale Plattformen und über Ländergrenzen hinweg, fühlen wir uns auch unabhängig von unserem Job eingebunden und gehalten. Diese Sicherheit gibt uns Raum, neugierig zu sein. Wir machen uns auf die Suche nach uns selbst, suchen nach dem, was wir uns wünschen und dem, was wir sind. Die Sicherheit ermöglicht uns die Individuation. Job-Hopping als Selbstfindungsprozess kann also als etwas durchaus sehr Positives betrachtet werden. Aber was ist mit der Kritik, dass die Generationen Y und Z haltlos wären, sich nicht mehr binden könnten?

Die Unmöglichkeit der Möglichkeiten

In Zeiten von Online-Jobplattformen und sozialen Netzwerken erscheinen die Möglichkeiten, einen neuen Job zu finden, unermesslich groß. Wir können uns jederzeit und ohne Aufwand über neue Weiterbildungen und Jobs informieren, oder werden ohne aktiv zu suchen von Head Huntern via Xing und LinkedIn angeschrieben. Der Möglichkeitsraum erscheint unendlich groß. Immer wieder werden wir dazu angeregt, zu hinterfragen: Bin ich noch zufrieden mit meinem Job oder gibt es eine Option, die besser zu mir passt? Verpasse ich eine große Chance, mich weiterzuentwickeln, wenn ich das Jobangebot ausschlage? Habe ich schon das bestmögliche aus mir herausrausgeholt?

Ganz nach dem Motto: Don´t settle for less!

Die Angst vor dem Stillstand

Und dann ist da noch die Angst vor dem Ankommen, sei es im Privaten oder Beruflichen. So als würde Ankommen bedeuten, dass wir plötzlich stehen bleiben. In einer Zeit wo sich alles stetig verändert, ist das für viele schwer auszuhalten. Stillstand bedeutet dann auch, dass wir von der Geschwindigkeit und Vergänglichkeit der Zeit nicht mehr abgelenkt werden. Wir beginnen, unseren Blick weg vom Außen und hin in unser Inneres zu lenken. Was ist, wenn wir dann all die Gefühle spüren, die wir durch den Trubel des Alltags und der Veränderung erfolgreich verdrängt haben?

Die Grenzen des Job-Hoppings

Sicherlich gibt es noch eine Vielzahl weiterer Faktoren, die das Job Hopping der Millennials begünstigen. Die eigene Entwicklung fördern zu wollen, kann erst einmal als etwas sehr Positives betrachtet werden. Erst dann, wenn, die Suche zur Sucht wird, das Gefühl noch etwas Besseres finden zu können zu einem Wahn, erst dann weicht der Individuationsprozess der Haltlosigkeit.

Was können Organisationen also tun, um die „Generation beziehungsunfähig“ zu binden?

In einer Zeit, in der wir uns sicher genug fühlen, um neugierig zu sein, Möglichkeiten haben, die uns anregen, uns und unsere Wünsche und Ziele zu hinterfragen, haben auch Organisationen und deren Führungskräfte eine besondere Rolle: Sie haben die Aufgabe ihre Mitarbeiter*innen auf diesem Weg zu unterstützen. Ihnen Möglichkeiten zu bieten, sich weiterzuentwickeln, und ihre innere Quelle der Motivation zu finden. In agilen Organisationen wird dies durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit (Teilzeit, Gleitzeit, Jobsharing etc.) sowie des Arbeitsortes (Home Office, Remote Work) und die Schaffung kollaborativer Arbeitsstrukturen (vernetztes Arbeiten, Mentoring-Programme, interdisziplinäre Projekte etc.) versucht, Stichwort New Work. Für die Führungskräfte bedeutet dies, dass sie zu Botschafter*innen ihrer Mitarbeiter*innen werden: Ihre Aufgabe ist es ihre Mitarbeiter*innen zu ermutigen, Räume für Kreativität und neue Ideen zu schaffen, eigenverantwortliches Handeln und vernetztes Arbeiten zu fördern. Auf diese Art und Weise soll nicht nur die Eigeniniative und Motivation der Mitarbeiter*innen gefördert werden, sondern diese auch an die Organisation gebunden werden. Neben diesen Maßnahmen zur Förderung des Freiraums und der persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter*innen muss auch die andere Seite des Spektrums beachtet werden: Denn die Generationen Y und Z wollen nicht nur die Freiheit, sondern auch die Sicherheit – von Kündigungsfristen über transparente Feedbackkultur hin zu Schaffung von organisationaler Zugehörigkeit. Denn nur so kann der Individuationsprozess gelingen.

 

Leonie Derwahl, Coachin bei dynaMIND