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Psychoanalytisches Business Coaching

Mehr Frauen in die Führungsetage

Widerstände beim Wandel zu gleichen Quoten im Unternehmen bewältigen

An Kompetenz sind Frauen Männern beruflich schon lange gleichgestellt, das wird heute nicht mehr bestritten. Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation ILO befragte fast 13.000 Unternehmen, ob sie von einem höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen profitieren und kam zu dem Ergebnis, dass Unternehmen durch ein Geschlechtergleichgewicht im Bereich Mitarbeiterbindung, Kreativität und Innovation punkten. In meinem Artikel möchte ich die Frage untersuchen, warum der als positiv bewertete Wandel zu mehr Frauen in Führungspositionen sehr schwerfällig stattfindet. Ich benenne als wichtige Steuerungsinstrumente die Führung, die den Wandel anleitet, die Bewusstmachung von unbewussten Prozessen und die Vision einer Arbeitswelt, die beide Geschlechter bereichert.

Von den 195 unabhängigen Ländern in der Welt werden im Jahr 2015 nur 17 von Frauen regiert. Global stehen den Frauen 22 Prozent der Parlamentssitze zu. Was Frauen in Führungspositionen betrifft, sieht es nicht besser aus. Im Jahr 2015 waren nur 5 Prozent der CEOs von der 500 weltweit größten börsennotierten Unternehmen Frauen. In den USA waren im gleichen Jahr 25 Prozent leitenden Führungspositionen mit Frauen besetzt und in Europa 20 Prozent (Sandberg, 2015).

Theunert (2014) beschreibt in der Zeitschrift Organisationsentwicklung in einem Artikel zum Thema Gleichstellung in Organisationen mit der Überschrift „Unsichtbare Bremser“ folgendes Phänomen: „Der Wille in den Verwaltungsräten und im oberen Management zur Förderung von ebenso fähigen wie ehrgeizigen Frauen sei da, entsprechende Mentoringprogramme laufen auf Hochtouren, auch die „Pipeline“ im mittleren Management sei oft voll mit weiblichen Talenten. Und doch schafft es am Ende dann halt doch kaum je eine Frau bis ganz an die Spitze…“ und weiter „wenn sich trotz Vollgas nichts bewegt, dann liegt die Vermutung nahe, dass der Leerlauf eingelegt ist“.

Wenn wir uns für den Wandel aussprechen, doch die Veränderung trotzdem nicht gelingt, dann ist meine berufliche Erfahrung, dass in einem Unternehmen unbewusste Widerstände und Abwehrmechanismen wirken. Was könnten das für unbewusste Faktoren sein und wie geht man im Veränderungsprozess damit um?

Führung als Erfolgsfaktor

Ein erfolgsbestimmender Faktor im Veränderungsprozess sind die Führungspersonen, die Veränderung implementieren, begleiten und anleiten. Die Führung hat die Aufgabe, den Weg vorzugeben und Ängste, Projektionen, aber auch unbewusste Inszenierungen oder Konflikte der Mitarbeiter aufzunehmen und den Rahmen für eine Auseinandersetzung herzustellen. Neben Emotionen, die allgemeinhin als unangenehm gelten (wie Angst, Unsicherheit, Enttäuschung) sind angenehme Emotionen im Veränderungsprozess ein wichtiger Anreiz, die Mühen des Weges auf sich zu nehmen. Hier ist es Aufgabe der Führung, eine gute Vision für das angestrebt Ergebnis zu vermitteln, um so Orientierung zu geben.

In Betrieben wird die Gleichstellungsarbeit meist von Gleichstellungsbeauftragten und Diversity-Beauftragten angeleitet. In den 30-DAX-Unternehmen kümmern sich, mit einer Ausnahme, Frauen vollzeitlich um das Diversity Management (Köppel, 2015). Hier besteht die Gefahr, dass der bereits existierenden Lebensentwurf, mit den bestehen Werten zu Beruf und Familie, als Vorlage genutzt wird und Veränderungen dem angepasst, also lediglich reproduziert werden. Es wäre anzuraten, den Veränderungsprozess nicht strukturell intern im HR zu verankern, sondern die Veränderungen durch externe Berater anzuleiten. Diese könnten viel freier agieren. Sie hätte eher die Position und den Mut, sich unbeliebt zu machen und existierende Normen und die Normalität männlicher Arbeitsbiografien, Werte, Haltungen und Spielregeln in Frage zu stellen.

Es geht also bei diesem Wandel nicht nur um „kleine Anpassungen“ an ein bestehendes System, sondern um eine Umgestaltung des Systems. Zur Gleichstellung von Frauen und Männern müssten Rollenfixierungen aufgelöst werden, die Verhalten, Kommunikation, sowie Gefühle und Wertesystem betreffen. Doch das Festhalten an der „Rolle“ Mann / Frau gibt auch Sicherheit und vereinfacht die Kommunikation. Eine Veränderung kann Ängste auslösen, die zu dem Wunsch führen, die alten Verhaltensmuster beizubehalten. So entsteht Widerstand. Meist sind uns der Widerstand und auch viele Ängste gar nicht so richtig bewusst.

Themen, die Frauen zurückhalten, für ihren beruflichen Erfolg zu kämpfen:

Perfektionismus: „Während sich die Gesellschaft verändert, ist das schwer fassbare Ziel, das gute Mädchen zu sein, immer noch lebendig und gesund“ (Tugend, 2011). Eine perfektionistische weibliche Führungskraft „schränkt … [ihr] strategisches Denken und ihre Risikobereitschaft ein“ (Frankel, Levitt, Murray, Greenberg, & Angus, 2006). Wenn sie unvermeidliche Fehler macht, entschuldigt sie sich, anstatt den Fehler anzuerkennen, neu zu strategisieren und weiterzumachen.

Negativ konnotierter Machtbegriff und fehlende Konkurrenz: Laut Möller in (Giernalczyk & Lohmer, 2012) drohe auch der Diskus über Frauen als bessere Führungskräfte zur Sekundärstigmatisierung zu werden. Dieses Konzept bestärke die weibliche Rollenerwartung weibliches Führungsverhalten sei empathischer und zeige mehr soziale Kompetenz. Doch ein zu empathisches Verhalten hält Frauen davon ab, Macht auszuüben. Wenn es darum geht Gleichstellung zu erreichen, geht es darum, Macht als Ermächtigung zur wirklichen Veränderung zu begreifen.

Einsamkeit: Erfolgreich sein, heißt, dem oder der anderen überlegen zu sein. Dabei entsteht eine Distanz zu anderen Frauen und Männern, die für viele Führungspersonen schwer zu ertragen ist. Sozialisationsbedingt entwickeln Männer ihre Identität vor allem, indem sie sich von anderen unterscheiden wollen, während viele Frauen sich mehr über Ähnlichkeit und Bindung identifizieren.

Außerdem gelten Frauen, die machtvolle Positionen anstreben, noch immer häufig als zu schlau oder zu erfolgreich, und sie riskieren damit, Zuneigung zu verlieren und ausgeschlossen zu werden (Bettencourt, Dill, Greathouse, Charlton, & Mulholland, 1997). Dazu gibt es eine bemerkenswerte Studie, in der zwei Gruppen von Student*innen jeweils einen Lebenslauf zu lesen bekommen, den sie beurteilen sollen. In beiden Fällen ist es der (echte) Lebenslauf von Heidi Roizin, einer erfolgreichen Risikokapitalgeberin . Eine Gruppe Student*innen erhält den CV unter dem Namen Heidi, bei der Version für die andere Gruppe wird der Name in Howard geändert. Beide Lebensläufe, der von Heidi und der von Howard, werden von den Testpersonen unter fachlichen Gesichtspunkten gleich eingeschätzt. Doch alle Student*innen schätzten Howard als einen guten Typen ein, einen netten Kollegen, mit dem sie auch mal ein Bier trinken gehen würden. Während Heidi als eher unsympathisch, karriereorientiert und egoistisch bewertet wurde (McGinn & Tempest, 2009).

Doch zu einer Beziehung gehören immer Zwei. Welche unbewussten Motive könnten Männer veranlassen, Veränderung zu mehr Gleichheit der Geschlechter zu boykottieren?

Ein großer Anteil der Männer stimmt grundsätzlich zu, dass Frauen diskriminiert werden und das Gleichstellungsmaßnahmen stattfinden sollten, doch sie sind der Meinung, das berühre sie nicht. Sie antworten beispielhaft „Im Prinzip kann man das nur positiv sehen“, aber gleichzeitig verweigern sie einen eigenen Beitrag zur Gleichstellung (Höyng & Puchert, 1998). Kollektive Ausreden sind dann „Frauen sind nun mal die, die Kinder bekommen“. Auch hier gilt: Wenn ich grundsätzliche etwas will, aber nicht danach handle, dann könnten unbewusste Widerstände im Spiel sein.

Die männlichen Geschlechterrollen definieren sich zum großen Teil durch die Vermeidung von weiblichen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen. Hilflosigkeit, Verletzlichkeit, Abhängigkeit, mangelnder persönlicher Einfluss, mangelnde Sicherheit usw., sind Gefühlsreaktionen, die stereotyp nicht mit traditioneller Männlichkeit verbunden sind (Kierski & Blazina, 2010). Und diese Gefühle sind unangenehm und können Angst machen. Aus diesem Grund werden sie gerne im Unbewussten gehalten, um produktiv und Handlungsfähig zu bleiben. Auch Projektion auf andere kann eingesetzt werden, um sich von Gedanken und Verhaltensweisen zu distanzieren, die als nicht männlich empfunden werden. Möller (2013) beschreibt, dass das Abgewehrte in Organisationen, all die Bedürftigkeit, Unsicherheit und Angst, die wirtschaftliche Bedrohung und der gesteigerte Arbeitsdruck, sich in der Sensitivität der wenigen Frauen in Führungspositionen wiederfindet. Als projektive Identifikation repräsentiere sich das Abgewehrte der Organisation im Seelenleben der Führungsfrauen als eigne Insuffizienz, in stetigen Selbstzweifeln und Kompetenzzweifeln.

Beide Geschlechter können voneinander lernen

Geschlechterrollen sind in stetiger Veränderung. Männer erlernen zunehmend das, was unter „weiblicher“ Führung verstanden wird. Sie führen empathischer und sind gerade in Zeiten des Fachkräftemangels darauf angewiesen, sich mehr wie eine „gute Mutter“ um ihre Mitarbeiter*innen zu kümmern. Immer mehr Führungskräfte erlernen Coachingskills, um die Persönlichkeiten der fachlich sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter*innen zu fördern und so das Miteinander, die Zufriedenheit und Resilienz eines Jeden zu verbessern. Frauen wünschen sich in ihren Karrieren, ihrer Kreativität und Leistungsfähigkeit gerecht zu werden. Viele Männer haben keine Lust mehr, ihre Kinder nur am Wochenende zu erleben. Familien wollen beruflichen Erfolg und Familienleben kombinieren und begreifen, dass Emanzipation mit gesellschaftlicher Vision zusammenhängt.

Es ist an der Zeit über unbewusste Bremsen nachzudenken und Veränderung zu ermöglichen

Dieser gesellschaftliche und damit auch organisationale Wandel gelingt nur, wenn er als ein anspruchsvolles und langwieriges Change-Projekt anerkannt wird. Dazu gehört auch das Einbinden externer Berater. Aufgabe der Berater ist es einen Raum zu schaffen, in dem über schwierige Gefühle genauso gesprochen werden kann, wie über attraktive Ziele einer veränderten Berufswelt. Dieser Raum besteht ganz konkret in dem zeitlichen Fenster, der Organisation und Moderation des Zusammentreffens. Doch auch metaphorisch in der Schaffung eines Raums, im welchem Gefühle professionell aufgefangen werden und somit Ideen kreativ entwickelt werden können. Die MitarbeiterInnen könnten sich hier über die Kosten der Ungleichstellung der Geschlechter bewusst werden, welche Folgen es hätte, die sie für den Fall, dass der Wandel unterbleibt, ganz persönlich treffen würden. Am wichtigsten wird jedoch in vielen Fällen sein, dass sie selbst ein gewisses Unbehagen gegenüber den bestehenden Verhältnissen bewusst verspüren. Gleichzeitig sollte den Beteiligten eine Perspektive aufgezeigt werden, wie die Hoffnung auf die Entwicklung eines menschlich gerechten, wertschätzenden Arbeitsplatzes für Männer und Frauen, die die individuelle Entwicklung beider Geschlechter beflügelt.

 

M. Sc. Eva Weisse, Coach bei dynaMIND

 

Literatur

Bettencourt, B. A., Dill, K. E., Greathouse, S. A., Charlton, K., & Mulholland, A. (1997). Evaluations of ingroup and outgroup members: The role of category-based expectancy violation. Journal of experimental social psychology, 33(3), 244-275. 

Frankel, Z. e., Levitt, H. M., Murray, D. M., Greenberg, L. S., & Angus, L. (2006). Assessing silent processes in psychotherapy: An empirically derived categorization system and sampling strategy.

Giernalczyk, T., & Lohmer, M. (Eds.). (2012). Das Unbewusste im Unternehmen. Psychodynamik von Führung, Beratung und Change Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Höyng, S., & Puchert, R. (1998). Die Verhinderung der beruflichen Gleichstellung. Männliche Verhaltensweisen und männerbündische Kultur, Bielefeld.

Kierski, W., & Blazina, C. (2010). The male fear of the feminine and its effects on counseling and psychotherapy. The Journal of Men’s Studies, 17(2), 155-172.

Köppel, P. (2015). Diversity Management in Deutschland: Benchmark 2014. Strategie oder Alibi. In: Synergy Consult. http://www. synergyconsult. de/pdf/Benchmark_DM_14. pdf ….

McGinn, K., & Tempest, N. (2009). Heidi Roizen. Harvard Business School Case Study# 9–800–228. In: Harvard Business School Publishing Boston, MA.

Sandberg, S. (2015). Lean in-Women, Work and the Will to Lead. In: SAGE Publications Sage India: New Delhi, India.

Tugend, A. (2011). Better by mistake: The unexpected benefits of being wrong: Penguin.