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Psychoanalytisches Business Coaching

Sonntagsneurose oder Weekend Blues – warum kann ich meine freie Zeit nicht genießen?

Wochenend’ und Sonnenschein, doch bei Ihnen herrschen Frust und trübe Gedanken? Obwohl das Wochenende, laut den Comedian Harmonists, doch die pure Erholung bedeuten sollte, kennen Sie vielleicht das Gefühl, sich gerade am Wochenende, speziell an Sonntagen, ängstlich, traurig oder depressiv zu fühlen. Was bisher über die Ursachen des „Weekend Blues“ bekannt ist, eine psychodynamische Betrachtungsweise und was Sie dagegen tun können, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was ist eine Sonntagneurose?

Dieses Phänomen wurde schon vor über 100 Jahren von dem Psychoanalytiker Sándor Ferenczi beschrieben, der bei seinen Patient*innen eine auffällige Wiederkehr von psychosomatischen Beschwerden, wie Kopfschmerzen und Magen-Darm-Problemen an Sonntagen feststellte, welche „den jungen Leuten den einzigen freien Tag der Woche oft gründlich verdarben“ (Ferenczi, 1919).

Ganz allgemein versteht man unter einer Neurose eine psychische Störung, die nicht auf eine organische Ursache zurückgeführt werden kann. In der psychoanalytischen Lehre werden Neurosen durch (teilweise) unbewusste, innerseelische oder zwischenmenschliche Konflikte verursacht. In der psychosomatischen und psychiatrischen Medizin hat sich der Begriff psychische Störung oder Depression durchgesetzt, der Begriff der Sonntagneurose hält sich aber weiterhin und beschreibt die schlechte Stimmung am Wochenende und die Unfähigkeit oder Schwierigkeit, freie Zeit genießen zu können. Eine wichtige Abgrenzung zur Depression ist, dass die Beschwerden sich mit dem Beginn der Woche wieder bessern, anders als bei einer Depression, bei der diese mindestens zwei Wochen anhalten und sich die gedrückte Stimmung von Tag zu Tag eher wenig verändert. Auch geht eine Depression häufig einher mit psychovegetativen Symptomen, wie Schlafstörungen, starker Erschöpfung und vermindertem Appetit, sowie schwerwiegenderen Symptomen wie Schuldgefühlen, Gefühlen von Wertlosigkeit oder Suizidgedanken. Wenn Sie ähnliche Gefühle bei sich feststellen, die über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen anhalten, kann es Ihnen helfen, Ihre Ärztin oder Ihren Arzt anzusprechen, denn Depressionen sind behandelbar. Aber zurück zu unser Sonntagneurose.

Studienergebnisse: Bildung macht zwar insgesamt zufriedener, jedoch am Wochenende durchschnittlich unglücklicher

Die Ökonomen Wolfgang Maenning, Malte Steenbeek und Markus Wilhelm, von der Universität Hamburg kamen in ihrer Studie „Rhythms and Cycles in Happines“ zu dem Ergebnis, dass vor allem Menschen mit mittlerem und höherem Bildungsgrad unter den Symptomen der Wochenendneurose leiden. Die Wissenschaftler befragten rund 20.000 Menschen und stellten fest, dass Männer im Durchschnitt häufiger am Wochenende an Symptomen wie geringerer Lebensfreude oder genereller Verstimmtheit litten. Bei Männern mit mittlerem Bildungsgrad trat der Effekt nur am Sonntag auf, bei Männern mit hohem Bildungsgrad sowohl an Samstagen, als auch an Sonntagen. Bei Frauen und Männern mit geringem Bildungsgrad fanden die Forscher keinen Effekt zwischen den Wochentagen und der Stimmung. Bei Frauen mit mittlerem Bildungsgrad beschränken sich die negativen Effekte auf Stimmung und Lebensfreude auf den Samstag, bei Frauen mit hohem Bildungsgrad auf den Sonntag.

Die Wissenschaftler liefern in ihrem Paper keine möglichen Erklärungen für die gefunden Effekte. Es lässt sich jedoch vermuten, dass sich Menschen mit mittlerem und höherem Bildungsgrad eher mit Ihrer Arbeit identifizieren, durch sie Bestätigung erfahren und daher am Wochenende in eine Art „Sinnkrise“ verfallen, während weniger gebildete Arbeitnehmer*innen den Beruf hauptsächlich als Mittel sehen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und dass sie sich mehr über ihre Freizeit, wie z.B. Hobbys definieren. Zudem wird von Arbeitnehmer*innen mit höherem Bildungsgrad erwartet, dass sie in ihrem Job Erfüllung und Selbstverwirklichung finden. Gerade dann ist es besonders schmerzhaft, wenn sich nach einer anstrengenden Woche mit wichtigen Besprechungen und Entscheidungen, ein Gefühl der Leere einstellt, dass umso leidvoller ist, wenn man es nach außen für etwas Sinnvolles verkaufen muss.

Auch das Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit könnte ein weiterer Grund für die negativen Gefühle am Wochenende sein. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass es Arbeitnehmer*innen mit verantwortungsvollen Positionen im Durchschnitt schwerer fällt, den höheren Stresspegel nicht am Wochenende bewusst oder unbewusst weiter hoch zu halten, z.B. durch Überplanung der Freizeit. Am Sonntagabend stellen sie dann erschöpft fest, dass bereits eine neue, anstrengende Arbeitswoche vor der Tür steht. Allerdings darf man hierbei nicht außer Acht lassen, dass die gemessenen Werte für Zufriedenheit und Lebensfreude bei Menschen mit mittlerem und höherem Bildungsgrad in dieser Studie insgesamt höher lagen, als bei Menschen mit geringem Bildungsgrad.

Psychodynamische Betrachtungsweise: Welche Bedeutung hat das Wochenende bzw. der Sonntag für uns?

Schon die Patient*innen von Ferenczi hatten allerlei rationale Erklärung für ihre Sonntagsbeschwerden. Die Kopfschmerzen kamen durch das ungewohnte Ausschlafen, die Magen- Darm-Probleme durch zu reichhaltiges Essen am Feiertag. Sicherlich spielen diese Faktoren auch eine Rolle, aber sie scheinen als Erklärung der Beschwerden nicht ausreichend, da sich die Symptome auch dann noch zeigten, wenn die gewohnten Schlaf- und Essgewohnheiten beibehalten wurden. Genauso scheint die Erklärung, dass man es nicht schafft, am Wochenende richtig abzuschalten und weiterhin auf einem hohen Stresslevel bleibt, erstmal naheliegend als Ursache für die negativen Gefühle und körperlichen Beschwerden am Wochenende. Doch bei einer psychodynamischen Betrachtungsweise versuchen wir noch etwas weiter zu schauen, eine Ebene zu betrachten, die uns nur teilweise oder sogar gänzlich unbewusst ist. Was hat der Sonntag für eine Bedeutung? In der christlich geprägten Kulturgemeinschaft ist der Sonntag sowohl ein Fest- als auch ein Ruhetag. Gab es ursprünglich nur einen freien Tag in der Woche und war dieser daher besonders emotional aufgeladen, können sich Arbeitnehmer*innen in Deutschland, nach langen Auseinandersetzungen, während der 50-er Jahre, inzwischen über meist zwei arbeitsfreie Tage freuen. Am Wochenende sind wir unser eigener Herr; wir fühlen uns, zumindest zeitweise, von den Fesseln, die uns unsere Pflichten auferlegen, befreit. Dieses Nachlassen von äußeren Zwängen bedeutet einerseits Befreiung, andererseits werden in uns Impulse wach, die wir im normalen Alltag leichter unterdrücken können.

Wochenende: Alles nur Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll?

Arbeitsalltag bedeutet meist auch Verantwortung, Pflicht – mitunter auch Zwang. Von Montag bis Freitag ist hierfür eine psychische Instanz besonders aktiv, unser Über-Ich. Das Über-Ich beinhaltet unsere verinnerlichten moralischen Standards, unser Pflichtgefühl, unsere Idealbilder, die wir durch unsere Erziehung und unser Leben in der Gesellschaft vermittelt bekommen haben. Es bestimmt unser Handeln mit und gibt uns manchmal das Gefühl unfrei, verkopft oder einfach nur erschöpft zu sein von unseren eigenen Ansprüchen. Gleichzeitig bietet es uns einen gewissen Leitfaden, wie wir als „gute Bürger*innen“ leben sollten. Am Wochenende (d.h. meist schon am Freitagabend) treten äußere Zwänge mehr in den Hintergrund und damit nehmen auch innere Zwänge ab. Eine andere psychische Instanz hebt ihren Kopf – das Es. Im Es lokalisierte Freud unsere Triebe, engl. drives, alles Lustvolle, unsere Bedürfnisse. Häufig gelingt es uns deshalb schon am Freitagabend, für viele mit der Unterstützung von Alkohol (oder anderer Substanze), uns diesen andrängenden Trieben mehr hinzugeben, uns auszutoben und freier zu fühlen. Doch Menschen mit einem strengen Über-Ich neigen bei solchen Versuchungssituationen in eine Gegenbewegung zu treten, sie werden depressiv, ängstlich und unzufrieden, entweder weil sie allzu gefährliche Treibe versuchen zu bändigen, oder weil ihr allzu überempfindliches Gewissen auch kleine Verfehlungen nicht passieren lässt. Solche unterdrückten Triebregungen können sich samt der dagegen mobilisierten Selbstbestrafungsphantasien auch in kleineren Symptomen manifestieren, wie der von Ferenczi erwähnten Kopfschmerzen oder Magen-Darmproblemen. Damit würde hinter der Sonntagsneurose vor allem eine unbefriedigte Wunschregung stecken. Aber was ist der Inhalt dieser Wünsche? Woher kommt das schlechte Gewissen und die Straftendenz der Symptome?

Für Ferenczi liegt der Ursache der Sonntagsneurose im Verdrängen von hauptsächlich sexuellen Wünschen und abgewehrten aggressiven Impulsen gegen Autoritäten. Diese Impulse zu unterdrücken, die sogenannte Verdrängung, kostet Kraft und führt letztendlich zu depressiven Verstimmung oder psychosomatischen Symptomen.

Manchmal sind es unsere eigenen Wünsche, vor denen wir uns am meisten fürchten.

In unserer heutigen, schnelllebigen Zeit fallen einem noch weitere verdrängte Wünsche ein, wie der Wunsch nach Sinngebung oder nach Zusammengehörigkeit. In unserem stressigen Alltag können wir die kleine Stimme in unserem Kopf vielleicht besser ausschalten, mit der wir uns fragen: „Bin ich glücklich mit meinem Leben?“. Doch am Sonntag wird diese Stimme lauter, weil wir kurz innehalten. Wir werden konfrontiert mit einer gewissen Schwellensituation, bevor der Alltag uns wieder vereinnahmt. Das was der Sonntag erfüllen soll, sagt auch etwas über das aus, was in der restlichen Woche versäumt wird, was unerfüllt bleibt. Um solchen verdrängten Motiven nachzugehen und diese zu bearbeiten, bedarf es manchmal einer analytischen Psychotherapie, doch auch ein psychodynamisches Coaching kann uns auf die Spur unserer verdrängten Wünsche und Bedürfnisse bringen. Welche Bedeutung hat die Arbeit für uns? Welches Verhältnis zu Arbeit und Erfolg wurde uns von unseren Eltern vorgelebt? Wie haben wir einen Umgang mit Sonn- und Feiertagen eingeübt?

Sowohl Ferenczi als auch Maenning betrachten das wiederkehrende Stimmungstief am Wochenende als einen natürlichen Rhythmus. Die Natur sei durch ein Auf und Ab gekennzeichnet und damit scheine auch dem Menschen ein Bedürfnis innezuwohnen, die Plagen des Alltags zeitweise mit „Freiheitsfeiern“ abwechseln zu lassen und danach in eine „passagère Melancholie“ zu verfallen. Die schlechte Stimmung mache laut Maenning auch wieder Platz für gute Laune. Damit erfülle die Sonntagsneurose einen Sinn und solle nicht mit blindem Aktionismus bekämpft werden.

Out of the Blue(s)?

Blinder Aktionismus schön und gut, aber Sie fragen sich vielleicht, was Sie außer einem psychodynamischen Coaching oder gar einer Psychotherapie noch tun können gegen die Regenwolken am Wochenendhimmel? Hier noch ein paar Maßnahmen, die Sie ausprobieren können:

  • Bereiten Sie am Freitag alles so weit vor, dass Sie entspannt ins Wochenende starten können und erledigen Sie vor allem die kleinen nervigen Aufgaben, die Ihnen sonst das Wochenende vermiesen könnten.
  • Beantworten Sie alle Emails (meist reicht schon ein „Danke“ oder „Alles klar“) und organisieren Sie Ihren Arbeitsplatz.
  • Visualisieren Sie für sich, was Sie diese Woche geschafft hab, statt sich auf unerledigte Aufgaben zu konzentrieren. Dazu kann es hilfreich sein, die Aufgaben für die nächste Woche aufzuschreiben und auch schon festzulegen, wann diese erledigt werden können, damit sie Ihnen am Wochenende nicht im Kopf „herumspuken“.
  • Versuche Sie Konflikte mit Kolleg*innen noch am Freitag zu klären und bedanken Sie sich für die Hilfe die Sie von Ihnen erhalten haben.
  • Probiere Sie es aus, anstrengende oder unangenehme Aufgaben (z.B. Einkaufen, Wäsche waschen etc.) bereits am Samstagvormittag zu erledigen, damit Sie für den Rest des Wochenendes mehr Energie und bessere Laune haben. Wenn dieser Plan nicht aufgeht, versuchen Sie einen nüchternen Beobachtungsstandpunkt einzunehmen und verurteilen Sie nicht sich selbst, sondern versuchen Sie, zu verstehen, warum Ihnen die Aufgabenerledigung – die Kröte des Tages zu erst – nicht gelungen ist und das dies auch ok ist.
  • Plane Sie eine lustige, freudige Aktivität für den Sonntagabend, z.B. ein Date mit dem Partner/der Partnerin, einen Kinobesuch, Filmabend, ein gemeinsames Abendessen mit Freunden oder einen Spieleabend.
  • Bewegen Sie sich am Sonntag. Bewegung und zwar besonders Ausdauersport ist erwiesenermaßen äußerst effektiv, um Angstgefühle und Depressionen zu mildern.
  • Vermeiden Sie Alkohol und andere psychogene Substanzen (dazu zählen neben Drogen auch Kaffee oder Tabak). Alkohol ist ein Sedativum, dass zudem den Schlaf stört. Ein gestörter Schlaf verstärkt Angst und depressive Gefühle.
  • Versuchen Sie den Sonntag ein wenig mehr wie jeden anderen Tag zu behandeln, auch wenn er frei ist und in Deutschland sogar in der Verfassung als „Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ gesetzlich geschützt ist. Die Unterscheidung von Freitagen, an denen wir versuchen so viel wie möglich zu schaffen, bis zur Deadline des Wochenendes, in dessen Verlauf wir dann wiederum versuchen, das Maximum aus unserer freien Zeit heraus zu holen, ist ein Anspruch, der uns unter Druck setzt und damit eine Einschränkung der Lebendigkeit und Dynamik unseres Lebens darstellt. Stattdessen sind alle Wochentage lediglich Teil einer unendlich abwechselnden Folge von Tagen und Nächten, die zusammen genommen unser gesamtes Leben ausmachen. Anstatt in unserem Kopf zu streng voneinander unterscheidende Zeiteinheiten zu schaffen (platt gesagt: Wochentags = Arbeit und Anstrengung, Wochenende = Freizeit und Entspannung) die gesondert vom Rest des Lebens stattfinden und diese mit Aufgaben und Deadlines zu versehen, versuchen Sie sowohl Aufgaben, als auch lustige und angenehme Aktivitäten über die gesamte Woche zu verteilen.

Wenn wir Sie mit diesem Artikel neugierig gemacht haben, gehen Sie doch den negativen Gefühlen am Wochenende weiter auf den Grund. Wir von dynaMIND helfen Ihnen gerne dabei.

 

Sophie Grußendorf, Coach bei dynaMIND