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Psychoanalytisches Business Coaching

Warum dein Leben langweilig ist

Corona hat neben den schwerwiegenden und traurigen Folgen für uns und unsere Gesellschaft, auch dafür gesorgt, dass uns viele Dinge erschwert oder zeitweilig genommen wurden, die das Leben in unserer privilegierten, westlichen Welt lebenswert machen: Treffen mit Freunden und Familie, Tanzen, Reisen, Konzerte. Das Leben ohne diese highlights kommt uns vielleicht langweilig vor. Was können wir dagegen tun? Mehr dazu erfährst du in folgendem Artikel.

Die Geschichte deines Lebens

Für viele Menschen fühlt sich ihr Leben, wie eine Geschichte an. Wir wurden geboren, haben unsere Kindheit erlebt, die uns geprägt hat. Jetzt sind wir erwachsen, gehen zur Arbeit, haben selbst Kinder oder auch nicht. In Zukunft wollen wir vielleicht mehr von der Welt sehen, uns beruflich und persönlich weiterentwickeln und irgendwann genug Geld haben, um einen entspannten Lebensabend zu genießen. Es ist sicher sinnvoll, unsere vergangenen Erfahrung zu reflektieren und auch unser heutiges Verhalten in Zusammenhang mit vergangenen Beziehungserfahrung zu setzten, wie wir es z.B. in einem psychologischen Coaching tun würden. Genauso kann der Blick in die Zukunft uns helfen, Ziele zu entwickeln und Träume zu haben; etwas vorauf wir uns freuen können oder worauf wir hinarbeiten wollen. Besonders wenn wir mit unserer aktuellen Situation unzufrieden sind, können wir unsere Unzufriedenheit und unsere Frustration besser ertragen, wenn wir auf eine bessere Zukunft hoffen.

Doch wenn wir darüber nachdenken, wie sich unser Leben täglich anfühlt, dann dürfte es für die meistens Menschen eher das Gefühl von Alltag sein. Wir stehen auf, sind vielleicht etwas müde, gehen zur Arbeit (oder arbeiten im Home Office), kommen von der Arbeit nach Hause, essen, schauen noch eine Serie oder lesen ein Buch und gehen schlafen. Wir haben eine gewisse Routine in unserem Leben, die sich so oder so ähnlich täglich wiederholt. Meistens ist unser Leben ziemlich „normal“, ohne große highlights.

Auch schon vor der Pandemie bestand das Leben für die meisten Menschen nicht nur aus spannenden Reisen, Heiratsanträgen oder lustigen Abenden mit Freunden und Familie. Dies ist vielleicht ein Eindruck, der sich durch den Konsum von Inhalten von Social Media Plattformen, wie Instagram und Facebook verstärkt hat. Doch soziale Medien tragen nur zu dem Gefühl von Unzufriedenheit und mitunter Langeweile über das eigene Leben bei. Sie sind nicht die Ursache.

Na, wer erinnert sich noch an den Roman Momo von Michael Ende? In der Geschichte, die Michael Ende übrigens in seiner Wahlheimat Italien fertig stellte, da ihn die „Atmosphäre der Geringschätzung der deutschen Kulturwelt blockierte“1, rauben die Grauen Herren den Menschen ihre Zeit, unter dem Vorwand, die Menschen würden zu viel davon verschwenden und müssten Zeit einsparen. Die Menschen sparen jedoch keine Zeit, sondern die gestohlene Zeit geht an die Grauen Herren, die davon ihr tristes Leben fristen. Den Menschen bleibt nur immer weniger Zeit, Lebensfreude und das Gefühl, ein langweiliges, leeres Leben zu führen. Der Roman erschien erstmalig im Jahr 1973 und scheint heute aktueller den je. Denn obwohl einige von uns (längst nicht alle) vielleicht in der Pandemie objektiv mehr Zeit zur Verfügung haben als vorher, scheint diese Zeit doch zu versickern, sie nährt uns nicht. Was hat es damit auf sich?

Alles eine Frage der Planung und Prioritätensetzung?

Man könnte jetzt vermuten, dass es einfach nur darum gehe, die individuell zur Verfügung stehende Zeit sinnvoller zu nutzen, besser zu planen und sich simpel gesagt, einerseits mit den Dingen zu beschäftigen, die getan werden müssen und andererseits genug Zeit für Dinge einzuplanen, die uns Freude bereiten, uns „erfüllen“ oder „unsere Batterien wieder aufladen“. Doch diese einfache Gleichung scheint für viele Menschen nicht aufzugehen, bzw. all unsere Versuche die Zeit sinnvoll planen zu wollen, scheitern, die To-Do-Liste wird länger und länger, wir fühlen uns gehetzt und blicken uns vielleicht sogar heimlich um, ob uns nicht doch ein Grauer Herr folgt, der unsere Zeit stiehlt.

In unserer Gesellschaft ist sicherlich vieles auf Produktivität ausgerichtet und wir haben den Anspruch, unsere Zeit sinnvoll zu nutzen. In einem früheren Artikel ging es bereits um die Kraft der Langeweile und wie wir uns mit ihr anfreunden können (Link Artikel). Jedoch soll dieser Artikel keine Gesellschaftskritik sein, sondern stattdessen aufzeigen, welche inneren Faktoren dazu führen, dass wir uns in unserem Leben unzufrieden oder gelangweilt fühlen.

(Orale) Bedürfnisse

Der sprichwörtliche Ausdruck, dass Zeit bzw. das, womit wir unsere Zeit verbringen, uns nährt, zeigt schon einen Zusammenhang mit unserer oralen Bedürftigkeit an. Der Begriff orale Bedürftigkeit, oder auch orale Fixierung, wird oft im Zusammenhang mit psychodynamischen Erklärungsmodellen für Depression verwendet. Danach haben Menschen mit dieser Fixierung auf Grund von frühen Trennungserlebnissen oder uneinfühlsamer Versorgung durch frühe Objekte, ein hohes Zuwendungsbedürfnis und neigen dazu, sich in Beziehungen stark abhängig zu machen, aus der Angst heraus, erneut Trennung zu erleben. Kommt es zu einer Trennung auf Grund ihres überhöhten Bedürfnisses nach Nähe, kann ihr strenges und rigides Über-Ich die entstandene Aggression gegenüber der anderen Person nicht zulassen, stattdessen richtet sich diese gegen die eigene Person und verursacht die depressive Symptomatik.

Auch wenn keine Depression vorliegt, können wir in uns den Wunsch tragen, mehr durch andere versorgt zu werden, unsere oralen Bedürfnisse sind dann nicht ausreichend gestillt. Dies kann sich z.B. in übermäßigem Essen ohne Appetit zu haben (Bing-Eating), in Kaufsucht oder übermäßigen Konsum von Netflix, Instagram etc. äußern. Wenn wir ehrlich zu uns sind, werden wir mindestens eine Sache nennen können, wo uns unsere Zeit entgleitet und wir uns „füttern lassen“.

Über-Ich-Konflikte

Unser Über-Ich, ein von Freud geprägter Begriff, ist an sich eine super Sache. Es wirkt wie ein moralischer Kompass. Es beinhaltet unsere Normen und Werte, unser Verantwortungsgefühl, das uns sagt, was es heißt „sozial kompatibel“ in dieser Gesellschaft zu funktionieren und wie wir uns gegenüber unseren Mitmenschen verhalten. Es lässt uns morgen aufstehen und zur Arbeit gehen (oder uns an den Schreibtisch zu setzen). Gleichzeitig sorgt es auch dafür, dass wir der nächsten Person, die ihre Maske nicht richtig trägt, nicht eine runterhauen und auch nicht dem hübschen Mitarbeiter bei Rewe um den Hals fallen. Leider hat das Über-Ich auch einen Haken. Es kann zu streng sein. Dies zeigt sich vor allem, wenn wir das Gefühl haben, unsere Arbeit nicht loslassen zu können. Wenn wir z.B. nicht einmal guten Gewissens eine Stunde früher Schluss machen können, ohne die Aufgabe fertig gestellt zu haben. Wenn der Gedanke an das Wochenende eher quälend ist, da so viel Arbeit liegen bleiben wird, ist das ebenfalls ein Zeichen, dass wir in uns ein eher strengeres Über-Ich haben, was uns einerseits hilft, im Job erfolgreich zu sein, uns aber auch den Blick auf unsere Bedürfnisse und das Gefühl mit uns zufrieden zu sein, verstellen kann.

Den Grauen Herren den Kampf ansagen

Das wir aus Beschäftigung, einer erfüllenden Tätigkeit und Produktivität Befriedigung und Lustgewinn ziehen können, steht außer Frage. Doch wenn dich in deinem Alltag öfters Gedanken von Langeweile oder Sinnlosigkeit beschleichen, ist es höchste Eisenbahn, etwas zu tun. Wenn du dich von deiner Arbeit überfordert und erschöpft fühlst, empfehlen wir dir diesen Artikel (Link Burnout). Aber nicht immer muss gleich Burnout oder eine Depression dahinterstecken. Manchmal reichen auch kleinere Veränderungen.

Die Realisierung, dass wir vielleicht durch unseren Alltag hetzen, als wäre uns ein Grauer Herr auf den Fersen, kann schon helfen, etwas zu ändern. Wichtig ist dabei eine Ursachen-Forschung. Wir alle tragen in uns Vorstellungen, wie wir uns der Arbeit und allgemein dem Leben gegenüber zu verhalten haben. Diese sind häufig geprägt von unseren Eltern. So kann z.B. der Gedanke an mehr freie Zeit unter der Woche Schuldgefühle in uns auslösen, wenn wir mit einer Mutter aufgewachsen sind, die von morgens bis abends gearbeitet hat. Dies zu reflektieren und mehr unterscheiden zu können, welche Gefühle in uns selbst liegen und welche man von den Eltern oder anderen Personen unfreiwillig mitbekommen hat, kann uns helfen, unseren eigenen Weg im Leben zu gehen und unser Leben freier zu gestalten.

Wenn wir das Gefühl haben, an einen Punkt gekommen zu sein, wo uns unser Leben und die Zeit die wir haben nicht mehr ausreichend zu nähren zu scheint, kann es auch hilfreich sein, sich auf die Suche nach den Lehrstellen zu begeben, was uns fehlt. Diese Frage nach unseren Bedürfnissen klingt vielleicht zunächst abgedroschen, aber ist komplexer als wir häufig denken. Denn unsere Bedürfnisse sind uns teilweise nicht gut zugänglich, versteckt hinter Schuld- und Schamgefühlen oder mit Verboten durch unser Über-Ich belegt. Nicht immer geht es unbedingt um ein Ändern der Lebensgewohnheiten, was zudem auch nicht immer möglich ist, sondern mitunter geht es auch um Akzeptanz bzw. ein Loslassen des Dranges, immer weiter kommen zu müssen oder erst noch besser werden zu müssen, bevor wir zufrieden sein können. Unser Leben ist mehr als die einzelnen Ereignisse, die es ausmachen. Weiter zu schauen kann uns helfen, uns lebendiger in unserem Leben zu fühlen, wieder mehr über unsere Zeit zu verfügen und den grauen Herren verschwinden zu lassen.

 

M. Sc. Sophie Grußendorf, Coach bei dynaMIND

1 http://michaelende.de/momo